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Jeder kann und muss sich wehren

Interview der Woche von Gesine Lötzsch,

Gesine Lötzsch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Haushaltsexpertin, zeichnet Alternativen zum schwarz-gelben Sozialkahlschlag auf und ruft die Menschen auf, die Pläne der Regierung zu durchkreuzen.

Die Regierung Merkel hat die Katze aus dem Sack gelassen - nach dem Willen von Union und FDP sollen bis zum Jahr 2014 rund 80 Milliarden Euro gekürzt werden. Wen treffen die Einsparungen besonders hart?

Die Kanzlerin hat erklärt, dass sie vor allem bei den Ausgaben kürzen will. Das trifft vor allem Menschen, die auf einen Sozialstaat angewiesen sind: Arbeitnehmer, Arbeitslose, Alleinerziehende und Familien und Rentner.

Vizekanzler Westerwelle wirft Kritikern der Sparpolitik vor, sie würden Freibier für alle fordern und so den Karren an die Wand fahren. Was ist davon zu halten?

Bei Union und FDP gab es noch nie Freibier für alle, sondern immer nur Freibier für die, die am Steuer saßen. Das ist das Problem. Die Krisenverursacher und -gewinnler, die immer noch am Steuer sitzen und schon wieder im Spekulationsrausch sind, werden von der Bundesregierung geschont, und die unschuldigen Insassen dürfen für das Freibier, das Herr Westerwelle großzügig verteilt, die Rechnung zahlen.

Die Bundesregierung meint, dass die Kürzungen allen weh tun müssen. Gibt es wirklich keine Alternativen?

Das ist masochistischer Unsinn. Allein eine Finanztransaktionssteuer würde im Jahr 12 Milliarden Euro an Einnahmen bringen und damit weitere Sozialkürzungen überflüssig machen. Es ist Ausdruck von sozialer Kälte, wenn das Elterngeld für ALG-II-Empfänger wegfällt, gleichzeitig aber den gutverdienenden Frauen hierbei kein Cent gekürzt werden soll. Das zeigt, es geht der Bundesregierung nicht in erster Linie um die Sanierung des Haushaltes, sondern um die Umverteilung von unten nach oben.

Wo kann sich DIE LINKE Kürzungen vorstellen?

DIE LINKE kann sich Kürzungen im Rüstungsetat und bei unsinnigen Prestigeprojekten, wie dem Berliner Schloss vorstellen, dessen Bau ja lediglich verschoben werden soll. Doch Kürzungen bei Familien, Kindern und Arbeitslosen sind mit uns nicht zu machen. Sie sind nicht nur unsozial, sondern auch ökonomisch unsinnig.

Was setzt DIE LINKE dem Sparpaket entgegen?

Wir müssen die Einnahmebasis des Bundeshaushalts verbessern. DIE LINKE fordert deshalb in einem ersten Schritt Steuererhöhungen für die Krisenverursacher und -gewinnler. In einem zweiten Schritt müssen wir die Mehreinnahmen in ein Zukunftsinvestitionsprogramm stecken. Und in einem dritten Schritte können wir die Schulden abbauen.

Doch aller Schuldenabbau ist umsonst, wenn die Finanzmärkte nicht gleichzeitig streng kontrolliert werden.

Absichtsbekundungen von Frau Merkel helfen da nicht weiter. Wir fordern eine umfassende Marktregulierung, dazu neben dem Verbot von Leerverkäufen auch feste Wechselkurse und das Schließen von Steueroasen. Die Bundesregierung darf sich bei der Besteuerung von Finanzprodukten nicht länger hinter anderen Ländern verstecken. Ein gut regulierter Finanzmarkt in Deutschland wird zu einem Standortvorteil. Menschen, die ihr Geld sicher anlegen wollen, werden dann ihr Geld in Deutschland anlegen.

Die Generalsekretärin der SPD, Frau Nahles, sagte gestern zu den Kürzungsvorschlägen der Bundesregierung, dass es nicht in Ordnung ist, dass die Bundesregierung bei denen kürzt, die sich nicht wehren können. Sind die Betroffenen also wehrlos?

Dem widerspreche ich: Jeder kann und jeder muss sich gegen diese Bundesregierung wehren. DIE LINKE unterstützt deshalb die Demonstrationen »Wir zahlen nicht für eure Krise!« am 12. Juni in Berlin und Stuttgart. Wir können die Pläne der Regierung durchkreuzen, wenn viele Menschen gegen die unsoziale Politik der Regierung auf die Straße gehen.

linksfraktion.de, 8. Juni 2010