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Janine Wissler und Kathrin Vogler bei Protest in Lützerath

Im Wortlaut von Janine Wissler, Kathrin Vogler,

Janine Wissler, Linken-Parteivorsitzende und Abgeordnete der Bundestagsfraktion, sowie ihre Fraktionskollegin Kathrin Vogler nehmen als Parlamentarische Beobachterinnen am Protest in Lützerath gegen die Räumung des Dorfes teil. Der Energiekonzern RWE möchte das Dorf Räumen, um die darunterliegende Kohle abzubauen. 

In einem Papier, welches die Fraktion am Rande ihrer Jahresauftaktsitzung beschlossen hat, solidarisiert sie sich ebenfalls mit dem Protest.

Janine Wissler macht deutlich, dass DIE LINKE an der Seite der Menschen steht, die sich in Lützerath für Klimaschutz einsetzen: »Wir stehen an Eurer Seite, weil die Klimapolitik der Ampel eben nicht dazu geeignet ist, die Klimaschutzziele einzuhalten. Ganz im Gegenteil: Hier in Lützerath werden die Gewinninteressen von RWE vor die Klimaschutzziele gestellt. Das nehmen wir nicht hin.«

Die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler befand sich ebenfalls im Protestcamp, um den Polizeieinsatz zur Räumung des Dorfes zu beobachten. Sie berichtet: 

»Das Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier soll abgebaggert werden, obwohl es aus Expert*innen-Sicht keine energiewirtschaftliche Notwendigkeit für die Ausweitung des Tagebaus gibt. Seit 2020 kämpfen Klimaschützer*innen für den Erhalt des Dorfs, das ein Symbolort für den Kampf um die Einhaltung des 1,5%-Klimaziels geworden ist. 

Am Sonntag, den 8. Januar 2023, besuchte ich den wöchentlich stattfindenden geführten Dorfspaziergang in Lützerath und die dortige Mahnwache am nordöstlichen Rand des Dorfes, an der an diesem Tag nach Infos der Initiative „Lützerath lebt“ 5.000 bis 7.000 Besucher*innen teilnahmen.

Alle gerichtlichen Versuche, das Abbaggern zu verhindern, sind gescheitert, die Mahnwachen sind nur noch bis Montag 24 Uhr genehmigt und so wird es auch der letzte geführte Spaziergang durch das vom Abriss bedrohte Lützerath gewesen sein. Die Polizei bringt bereits Wasserwerfer und Räumfahrzeuge in Stellung, sie ist mit Hundertschaften aus 14 Bundesländern vor Ort, meldet die taz.

Das Verwaltungsgericht Aachen hatte am vergangenen Donnerstag den meinen Eilantrag zurückgewiesen und die so genannte "Allgemeinverfügung" des Kreises Heinsberg für rechtmäßig erklärt, die ab 10. Januar einen Polizeieinsatz am Rande des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler II erlaubt.

10. Januar

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat die Beschwerde von Klimaaktivist*innen gegen das Aachener Urteil heute abgelehnt, mit einer denkwürdigen Begründung: "Das staatliche Gewaltmonopol als Grundpfeiler moderner Staatlichkeit ist einer Relativierung durch jegliche Formen des zivilen Ungehorsams grundsätzlich nicht zugänglich."

Die Klimagerechtigkeitsbewegung kämpft für ein schnelles Ende der Kohleverstromung und sieht Lützerath, wo die RWE AG ca. 280 Millionen Tonnen Kohle abbaggern und verfeuern will, als Schwelle, die nicht überschritten werden darf. In einem Statement von Greenpeace heißt es: „Die 1,5 Grad-Grenze verläuft vor Lützerath. Eine glaubwürdige Klimapolitik darf nicht zulassen, dass RWE diese Grenze überschreitet. Das sinnlose Opfern von Dörfern für die Braunkohle muss endlich ein Ende haben. Das Ausbeuten der Braunkohle unter Lützerath ist auch bei der derzeitigen Gasmangellage energiepolitisch nicht notwendig und klimapolitisch verantwortungslos." Der BUND verweist auf eine Studie der "CoalExit Reasearch Group" aus letztem Sommer, wonach es „weder eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit für die Inanspruchnahme weiterer Dörfer und Höfe am Tagebau Garzweiler II [gibt], noch eine energiewirtschaftliche Rechtfertigung zur Genehmigung neuer über den Bereich des aktuellen Hauptbetriebsplan hinausgehender Abbauflächen.“ Davon unbenommen fand am 4. Oktober 2022 in Berlin eine Pressekonferenz in skurriler Besetzung statt, auf der der RWE-Vorstandsvorsitzende Markus Krebber, flankiert von NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (B90/Die Grünen) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (dito), verkündete, dass Lützerath abgebaggert werden wird. Die RWE AG hat es geschafft, ihre Interessen durchzusetzen und noch aus den letzten ihr zugänglichen Braunkohleflözen in NRW Profit zu schlagen, ohne Not sekundiert von maßgeblichen politischen Entscheidern einer ehemaligen "Klimaschutzpartei".

Funfact am Rande: auch der für die anstehende Räumung von Lützerath zuständige Polizeipräsident der Kreispolizeibehörde Aachen, Dirk Weinspach, ist Mitglied der Grünen. Und er hat auch schon Erfahrung mit dem gewaltsamen Vorgehen gegen Klimaproteste: Weinspach war 2018 als leitender Beamter für die Räumung des Hambacher Forsts verantwortlich.

Am Sonntag entschied ich zu bleiben und twitterte: Ich bin gekommen, um zu bleiben. Hier in Lützerath wird das 1,5-Grad-Ziel verteidigt und wir verteidigen das mit unserer ganzen Leidenschaft, mit unseren Herzen und auch mit unseren Körpern. Das werde ich in den kommenden Tagen hier in Lützerath weiterhin gemeinsam mit den Aktivist*innen vor Ort tun.

11. Januar: 

Mein Tag in Lützerath: Heute früh ist die Polizei mit massiven Kräften ins Dorf eingedrungen. Systematisch wurden nach und nach die Barrikaden freigemacht - teilweise mit unangemessener Gewalt gegen ganz friedliche Leute, jüngere und ältere. Dass dann sehr bald entgegen den Absprachen die Demosanitäter vom Platz getrieben wurden, passt überhaupt nicht zu dem nach außen dargestellten „transparenten“ Polizeieinsatz. Medienschaffende haben mir immer wieder von Behinderungen und Drohungen berichtet, einen Fall habe ich selbst beobachtet.

Für mich der emotionalste Moment war die Räumung der Mahnwache, die am 22. zweieinhalb Jahre bestanden hätte.

Der zweitemotionalste war der Beginn der Rodung im kleinen Wäldchen.

Noch nie in meinem langen aktivistischen Leben habe ich einen derart massiven Polizeieinsatz erlebt. Wenn das zum Maßstab wird, dann gehen wir als Demokratie düsteren Zeiten entgegen und werden nur noch sehr wenig Kapzitäten für polizeiliche Prävention und Aufklärung von Verbrechen haben.

Ich habe auch gesehen, dass Steine gegen Polizist*innen flogen, ungezielt zwar, aber dabei hätte jemand verletzt werden können. Verstehen kann ich diese Wut, aber das Ziel ist falsch. Ich habe Polizist*innen weinen sehen, weil ihnen der Einsatz zuwider war. Ich habe einzelne intensiv mit Besetzer*innen über Gerechtigkeit diskutieren hören. Und ich habe welche gesehen, die einfach nur genauso viel Angst hatten wie die Gegenseite. Nein, verantwortlich sind Mona Neubaur und Robert Habeck. Die grüne ‚Revolution‘ frisst nun ihre Kinder. Und die rebellieren, das ist gut und nicht schlecht für die Demokratie!

RWE kann Dörfer, Äcker und Häuser zerstören, weil die Politik es zulässt. Den Geist von Lützerath könnt ihr aber nicht zerstören!«

Am 12. Januar hat Kathrin Vogler ihre Präsenz in Lützerath beendet.