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Inklusion in der Bundesrepublik Deutschland – noch ein langer Weg

Nachricht von Katrin Werner,

Vor einem Jahr stellte die Bundestagsfraktion DIE LINKE und ihre behindertenpolitische Sprecherin Katrin Werner eine Große Anfrage zur Umsetzung des Inklusionsgebotes in der Bundesrepublik Deutschland. Die 241 Fragen wurden zu den unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilbereichen vor dem Hintergrund der Zusage der Erarbeitung eines Bundesteilhabegesetzes, der Verbesserung der Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen und der Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen, der Überarbeitung des Behindertengleichstellungsgesetzes und des Nationalen Aktionsplanes gestellt. Nun liegt die Antwort der Bundesregierung vor.

Die Bundesregierung verweist wieder einmal auf den kritikwürdigen Beschluss, dass das deutsche Recht vereinbar mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sei. Diese Einschätzung passt auch zur Auffassung, dass der „zeitliche, personelle und finanzielle Aufwand für eine umfassende Überprüfung aller Gesetze“ laut Bundesregierung „dagegen in keinem Verhältnis zum erwartenden Erkenntnisgewinn“ stehe. So sollen die Empfehlungen des UN-Fachausschusses, der den Umsetzungsstand der UN-BRK in der BRD bewertet hatte, auch nur geprüft werden.  

Dies ist zu wenig. Die Linksfraktion fordert hier eine konsequente Abarbeitung dieser Empfehlungen. Auch sind, wie es die rechtsverbindliche UN-BRK vorschreibt, alle Gesetze und Verordnungen nach Vereinbarkeit mit dieser Konvention zu überprüfen.

Der für Ende des Jahres 2015 angekündigte Entwurf für ein Bundesteilhabegesetz wurde bereits auf voraussichtlich das Frühjahr 2016 verschoben. Die Antworten der Bundesregierung auf Fragen dazu lassen nichts Gutes erwarten. Einen direkten Zusammenhang zwischen Armut und Behinderungen sind der Regierung nicht bekannt. Auch wird die Bundesregierung sich nicht am Ausbau bestehender Angebote im Bereich Assistenz und Pflege beteiligen.

Menschen, die auf Assistenz angewiesen sind, dürfen nicht mehr als 2600 Euro ansparen. Sie werden per Gesetz arm gemacht. Würde die Bundesregierung den Zusammenhang erkennen, würde sie im Bundesteilhabegesetz Teilhabeleistungen einkommens- und vermögensunabhängig ausgestalten, so wie es die Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag gefordert hat.

In Hinblick auf eine gleichberechtigte gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung scheint die Bundesregierung sich ebenso in Unkenntnis zu verstecken wie bei der Versorgung  von Flüchtlingen. Weder liegen der Bundesregierung Daten über barrierefreie Arztpraxen oder medizinischen Versorgungszentren vor, noch hat sie Kenntnis darüber, ob die Gesundheitsleistungen für Flüchtlinge mit Behinderungen mit den Aufnahmerichtlinien des Europäischen Parlaments vereinbar sind. Auch hinsichtlich der 5. EU-Antidiskriminierungsrichtlinie sei die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen.

Gesundheitliche Versorgung ist ein Menschenrecht und muss allen Menschen zur Verfügung stehen. Flüchtlinge mit Behinderungen brauchen frühzeitige Hilfen und die Gesundheitskarte. Ebenso ist die Umsetzung der 5. Antidiskriminierungsrichtlinie überfällig.

In vielen Bereichen ist es noch ein weiter Weg bis zur gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Beispielsweise erhöhten sich die Inklusionsquoten in Kindertagesstätten und Schulen ein wenig, diese bleiben aber auf sehr niedrigem Niveau. Die Zahl der Beschäftigten in Werkstätten stieg über 300.000 und die Arbeitslosenzahlen von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt stagniert auf hohem Niveau.

Es werden dringend grundlegende, strukturelle, mit den Bundesländern abgestimmte Veränderungen in Richtung Inklusion sowie wirksamer und voller Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen benötigt.

Die Bundesregierung will das schaffen, ohne dafür mehr Geld in die Hand zu nehmen. Das ist nicht machbar: Inklusion braucht Investition und beides ist längst überfällig.