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Industriesponsoring durch Stromkunden stoppen

Interview der Woche von Caren Lay,

 

Caren Lay, Leiterin des Arbeitskreises Struktur- und Regionalpolitik und Mitglied im Fraktionsvorstand, spricht im Interview der Woche über die soziale Schieflage der EEG-Novelle.

 

Großbaustelle EEG-Novelle: Wird das, was Minister Gabriel als EEG-Novelle vorlegt, eine Energiewende für die Verbraucherinnen und Verbraucher? Oder doch eher für die Industrie?

Caren Lay: Seit einiger Zeit wird in Brüssel und im Kanzleramt eine intensive Lobbypolitik zugunsten der großen Energiekonzerne und ihrer fossilen Kraftwerke gefahren. Für die Industrie sind die erneuerbaren Energien der böse Wolf und dieses Märchen verbreitet sie auch gern und oft. Letztendlich bleiben die  Verbraucherinnen und Verbraucher die Verlierer, denn sie müssen mit ihrer Stromrechnung die energieintensiven Industrien subventionieren. Allein die Industrierabatte beim EEG machen gut 5 Milliarden Euro aus. Würden die ungerechtfertigten Rabatte gestrichen, würden die privaten Haushalte und kleinere Firmen hier etwa die Hälfte der Summe sparen. Alle Industrieprivilegien zusammen  – also auch die bei der Ökosteuer, dem Emissionshandel und weiteren Umlagen – schlagen für Verbraucherinnen, Verbraucher und die öffentlichen Haushalten sogar mit 16 Milliarden Euro jährlich zu Buche. Aktuelle Meldungen, dass die EEG-Umlage von derzeit 6,24 Cent je Kilowattstunde auf 5,84 Cent sinken könnte, sind übrigens kein Ergebnis von Gabriels EEG-Novelle, sondern ein Buchungseffekt der bisherigen Regelung.

Das Gezerre um die Industrierabatte nimmt kein Ende. Neue Gutachten stellen die Verfassungskonformität der EEG-Novelle infrage. Was ist Ihre Einschätzung? 

Die Zweifel scheinen sehr berechtigt: Zwei unabhängig voneinander beauftrage Gutachter bescheinigen der Novelle, dass der Vertrauensschutz, der Gleichheitsgrundsatz sowie Eigentumsrechte nicht gewährleistet werden. Ein Beispiel: Bisher war die EEG-Umlage beim Eigenverbrauch von selbst produziertem Strom reduziert. Nun sollen Erneuerbare Energie-Anlagen schlechter gestellt werden als Anlagen des produzierenden Gewerbes, die oft fossile Energieträger nutzen.

Wer profitiert von den sogenannten Industrie-Rabatten? Wie breit ist die Basis derjenigen, die die EEG-Umlage zahlt?

Die Gewährung der Industrierabatte ist an sehr schwache Kriterien gebunden. Waren 2010 noch 570 Unternehmen vollständig von der EEG-Umlage befreit, so sind dies inzwischen 2.098 Unternehmen –darunter Großbäckereien, Fantasieschmuckproduzenten etc. Diese Art der Industriesubventionierung wird auf die privaten Haushalte und kleinere Firmen umgelegt. Auch dadurch sind die Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher angestiegen. DIE LINKE will die Industrieprivilegien deutlich einschränken auf die Unternehmen, die wirklich energieintensiv sind und die einen Energiesparplan vorweisen. Auch sie sollen einen Mindestsatz zahlen.

Sigmar Gabriel argumentiert, dass die Subventionierung der Industrie durch die Industrierabatte Arbeitsplätze in Deutschland sichere und deshalb eine Strompreis-Steigerung von rund 45 Euro im Jahr einer durchschnittlichen Familie durchaus zugemutet werden kann. Ist das eine faire Rechnung?

Sigmar Gabriel scheint mit zweierlei Maß zu messen. Bei ihm zu Hause werden die zusätzlichen 45 Euro im Jahr sicher kaum auffallen, aber für einkommensschwächere Teile der Bevölkerung ist das eine Belastung, mit der sie zu kämpfen haben werden. Da ist kein Spielraum für Geschenke an die Industrie. Laut statistischem Bundesamt war 2012 jede/r Fünfte in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen – das sind fast 16 Millionen Menschen. Sollte Gabriel als Sozialdemokrat nicht zuerst dafür sorgen, dass den 320.000 Haushalten im Jahr geholfen wird, denen tatsächlich der Strom abgestellt wird, anstatt die Industrie auf Kosten der Bevölkerung zu subventionieren? Gleichzeitig gefährdet der Wirtschaftsminister die Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren Energien. Diese Arbeitsplätze scheinen ihm nicht so wichtig zu sein.

Warum scheint es so schwierig zu sein, die Stromkosten insgesamt zu reduzieren und gleichzeitig die Energiewende nicht zu gefährden?

Es gibt viele Möglichkeiten, die Stromkosten zu reduzieren und die Energiewende trotzdem nicht zu gefährden. Wir als LINKE fordern seit langem nicht nur eine Abschaffung der unberechtigten Ausnahme- und Befreiungsregelungen für die Industrie. Der Strompreis für private Haushalte und kleinere Unternehmen ließe sich hier um einen knappen Cent pro Kilowattstunde reduzieren. Bereits im Februar 2012 haben wir diese Forderungen mit dem Antrag „Unberechtigte Privilegien der energieintensiven Industrie abschaffen – Kein Sponsoring der Konzerne durch Stromkunden“ (BT-Drs. 17/8608) in den Bundestag eingebracht. Um die Kosten für den einzelnen Verbraucher weiter einzugrenzen, fordern wir unter anderem zusätzlich eine staatliche Preisaufsicht für das Endkundengeschäft beim Strom, die Absenkung der Stromsteuer und einen Energiewendefonds, mit dem die EEG-Umlage zeitlich gestreckt und somit gesenkt werden könnte. Ähnliche Forderungen hatte übrigens die SPD im Wahlkampf selbst noch erhoben. Davon ist leider keine Rede mehr. Insgesamt würden unsere Vorschläge den Strompreis um 5,3 Cent oder 185 Euro im Jahr für eine durchschnittliche Familie absenken.

linksfraktion.de, 2. Juni 2014