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»Ich will Angela Merkel verklagen«

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Die Rote Kuh

14:13 Uhr: Die Rote Kuh am Stand der Fraktion DIE LINKE kommt gut an - nicht nur bei Kindern. Wer will, kann sich auf sie setzen und ein Foto machen lassen. Per E-Mail wird es nach Hause geschickt oder aber direkt am Stand ein Button produziert. »Heute Vormittag war hier schon die Hölle los«, sagt eine Mitarbeiterin am Stand. Zwei Schulklassen, also fast 60 Kinder, hätten sich auf die Kuh gesetzt. Ein Heidenspaß, fast jedes Kind wollte einen Button und zum Schluss sei sogar der Lehrer von der Klasse auf die Rote Kuh gezwungen worden. Jetzt am Nachmittag sind kaum noch Kinder auf der Messe zu sehen. Ein Mann mit einem vietnamesischen Bauernhut und Begleitung läuft am Stand vorbei, erblickt die Kuh und sagt: »Wat ist denn das?« »'Ne Rote Kuh«, sagt einer vom Team der Fraktion. »Da können Sie sich 'raufsetzen, ein Foto machen lassen und wenn Sie wollen, gibt es das Foto dann als Button oder per E-Mail.« »Na super«, sagt der Mann, »ich bin ja hier auf Dienstreise«. Seine Laune ist bestens, nur die Kuh scheint ein wenig zu hoch für ihn zu sein. Mit Mühe klettert er rauf und rutscht auf der anderen Seite fast runter. Seine Begleitung lacht und sagt: »Na, da ist doch sogar noch Platz für mich«. Auch sie klettert rauf, beide lachen in die Kamera und wenige Momente später bestaunen beide das Bild an einem Bildschirm und lassen sich einen Button fertigen.

Vom Winzer, der die Kanzlerin verklagen möchte

15 Uhr: Viele Kontakte und Gespräche ergeben sich spontan auf der Messe. Die Bundestagsabgeordnete Annette Groth unterhält sich mit einem Winzer aus Rheinland-Pfalz. Zuerst sprechen beide über ökologisch angebauten Wein. Dieser Winzer hat eine ganz besondere Methode: Die Abstände zwischen den Rebstöcken sind doppelt so groß wie beim herkömmlichen Weinanbau. Verschiedene Wildkräuter, Blumen und Gräser wachsen in diesen Lücken. Schmetterlinge, Bienen, Vögel und andere Tiere leben auch dort. Und da, wo sonst Chemie zum Einsatz kommt, erledigen bei diesem Winzer die Pflanzen und Tiere ganz von selbst die Schädlingsbekämpfung und sorgen dafür, dass es vor allem ökologisch zugeht. Aber der Winzer mag nicht so recht über Wein reden. Etwas anderes brennt ihm unter den Nägeln. »Kann man eigentlich Angela Merkel verklagen? Ich will das tun. Ich ertrage das alles nicht mehr. Angela Merkel hat doch als Bundeskanzlerin die Pflicht, für die Menschen zu sorgen, sie zu schützen - und das tut sie nicht. Was soll das mit Hartz IV, was soll das mit all den Gen-veränderten Pflanzen, ist das noch eine Demokratie hier?«, fragt der Winzer. Ein Gespräch entspinnt sich. Annette Groth diskutiert mit ihm. Der Winzer hat die Nase gestrichen voll. »Jeder von uns wird für kleinste Sachen vor den Kadi gezerrt, selbst für Bagatell-Sachen. Aber die Großen, die lässt man laufen. Was ist mit all den Bankern, was ist mit all den Ämtern, die Hartz IV falsch berechnet haben und die Leute nach dreißig Jahren Arbeit zwingen, ihr mühsam erspartes Haus zu verkaufen«, sagt der Winzer. Für ihn gibt es keinen Zweifel, er will eine Strafanzeige gegen Angela Merkel stellen. Annette Groth und der Winzer tauschen die Karten aus, man will in Kontakt bleiben.

Besuch von der Bundeswehr

15:15 Uhr: Plötzlich kommen zwei Bundeswehrsoldaten an den Stand. Nein, sie gehen nicht, sie stürmen heran. Ein muskelbepackter Hauptfeldwebel und ein Oberleutnant in Ausgeh-Uniform schlagen in der Mitte des Standes auf. Für ein paar Sekunden Irritation beim Stand-Team: »Was wollen die denn hier?« Der Feldjäger spricht mit gewaltiger Stimme: »Hey, habt ihr noch diese Poster vom letzten Jahr, die mit den roten und grünen Tomaten, die sind echt super.« Einer vom Team der Fraktion sagt, »Nee, aber wenn ihr wollt, dann bringe ich euch demnächst eins mit.« Der Hauptfeldwebel strahlt und sagt: »Na, dann kommt der Oberleutnant hier vorbei, und holt es ab. Die Poster sind nämlich super und hängen bei uns in der Unterkunft.« Beide machen kehrt und gehen zurück zum Bundeswehr-Werbestand in der Nachbarhalle.

Wenn das Geld für Zeitungen nicht mehr ausreicht

15:30 Uhr: Ein älterer Herr erblickt das Fraktions-Magazin »Clara«. »Kennen Sie das?«, fragt einer vom Team. »Nee«, sagt er. »Na dann, nehmen Sie es doch mit, da sind feine Reportagen, Interviews und Porträts enthalten.« Der ältere Herr schlägt es auf, blättert sich durch das Heft und sagt: »Wissen Sie, ich kann mir keine Zeitungen mehr leisten, die Zeiten haben sich geändert.« »Sie können das Magazin Clara kostenlos abonnieren, es erscheint viermal im Jahr.« »Tatsächlich?«, fragt der ältere Mann und scheint kurz verdutzt zu sein, überlegt einige Sekunden und sagt: »Na wunderbar.« Er steckt ein Exemplar in seinen Beutel, wünscht dem Team noch viel Spaß und zieht weiter durch die Messe-Hallen.

Was Käse und Milchpreise mit Ausbeutung zu tun haben

16 Uhr: Ein junger Mann steht vor dem Stand der Fraktion DIE LINKE. Er lacht etwas schelmisch, zeigt auf einen Spruch an der Seitenwand des Standes und fragt: »Haben Sie sich diesen Spruch schon mal durchgelesen?« Der angesprochene Mitarbeiter sagt »Nee, ausgerechnet den nicht.« Der Angesprochene liest ihn und der junge Mann lacht und sagt: »Was soll das denn, was soll so ein Spruch »Käse aus richtiger Milch.« Da draußen im Land tobt ein Kampf, die Leute werden ausgebeutet und ihr bringt hier so einen Käse.« Der Mann vom Team der Linksfraktion sagt: »Das hier ist eine Verbrauchermesse und keine Demonstration.« »Ja, aber ihr müsst euch doch für Gerechtigkeit, Arbeitnehmerschutz und gegen Krieg und Ausbeutung einsetzen und nicht für Käse aus richtiger Milch«, insistiert er. »Das machen wir doch auch, aber wir sind hier auf der Grünen Woche, und faire Milch-Preise und Käse aus richtiger Milch haben viel mit Ausbeutung zu tun«, erwidert der Mitarbeiter. Der junge Mann stutzt kurz und hört weiter zu. »Wenn kleine Bauern Pleite gehen, weil große Konzerne die Milchpreise drücken, wenn Verbraucher mit Produkten betrogen werden, in denen was anderes enthalten ist, als das, was drauf steht, dann müssen wir uns auch darum kümmern. Das hat viel mit Ausbeutung und Gerechtigkeit zu tun.« Nun sagt der junge Mann: »So habe ich das bisher nicht gesehen, stimmt, also, habt noch viel Erfolg«, wünscht er beim Abschied.

Nach dem Messe-Tag ist vor dem Messe-Tag

18:10 Uhr: Das Team der Fraktion DIE LINKE packt die Sachen ein. Zeitungen, Info-Material und die Buttonmaschine werden in Kisten verstaut. Jetzt kommt der Staubsauger zum Einsatz, Papier-Fetzen, Schnipsel und anderes werden aufgesaugt. Das Team ist erschöpft, hunderte von kurzen und mal längeren Gesprächen stecken in ihren Knochen. Stundenlanges Stehen - das strengt an. Am Stand wird das Licht ausgeschaltet. Alles ist aufgeräumt. Nun ertönt laut Rock'n'Roll-Musik aus der Nachbarhalle. An einem Biostand ist die Musik laut aufgedreht. Zwischen den Stehtischen tanzt eine junge Frau mit einem Staubsauger, ihre Kollegen trinken Bier, räumen Teller weg. In der Halle schwebt ein Gefühl von »Wieder einen Tag geschafft«. Müde Gesichter, Musik zum Tanzen und dennoch, die Musik scheint eher dazu da zu sein, um Energie für die letzten Aufgaben des Tages zu liefern: Aufräumen, Putzen, ein letztes Gespräch, ab nach Hause, um fit für den nächsten Tag zu sein.

Essensreste für die Armen im Land

18:13 Uhr: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stand-Teams verlassen den Messestand, durchqueren die Halle. Überall ist Aufräumen angesagt. Kaum noch ein Besucher ist zu sehen. Hier und da klirren Gläser, wird zugeprostet. Das Team hat den Ausgang fast erreicht. Eine letzte Halle. Es stinkt nach Tiermist. In dieser Halle haben Dutzende von Kühen ihr Tageswerk vollbracht. Die Tür ist blockiert. Zwei Menschen mit einem Wagen habe ihre Mühe, durch die Tür zu kommen. Es sind Mitarbeiter der Berliner Tafel. Sie sammeln die Reste von den Ständen ein. Brote, Käse, Würste - eben all das Essen, das am nächsten Tag nicht mehr gebraucht wird. Ein Gedanke zuckt durch den Kopf. Seit der Einführung von Hartz IV hat sich die Zahl der Tafeln verdoppelt. Mehr als eine Million Menschen sind mittlerweile bundesweit auf Essensspenden angewiesen. Ein Gedanke, der sich mit all dem Essen und dem Überfluss hier auf der Grünen Woche nicht verträgt.