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Humanitäre Flüchtlingspolitik in Thüringen

Im Wortlaut von Kersten Steinke,

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow im Gespräch mit Flüchtlingen in der Erstaufnahmeeinrichtung Suhl

 


Von Kersten Steinke, Vorsitzende des Petitionsausschusses des Bundestages

 

 

9.000 Flüchtlinge, das ist die Zahl, mit der man in Thüringen für 2015 geplant hatte. Im Mai waren es dann schon 12.200. Nun werden es wohl um die 20.000 bis zum Jahresende, obwohl auch dafür niemand die Hand ins Feuer legen würde. Thüringens Erstaufnahmeeinrichtungen gelangen damit an ihre Kapazitätsgrenzen und sind teilweise überfordert.

Das ist eine außerordentliche Herausforderung für die rot-rot-grüne Landesregierung, die mit dem Anspruch angetreten ist, eine humanitäre Flüchtlingspolitik zu betreiben. Demzufolge war der Erlass eines Winterabschiebestopps eine ihrer ersten Maßnahmen, für die sie von Bundesinnenminister de Maizière erst jüngst gescholten wurde.

Immer dann, wenn die Landesregierung glaubte, ausreichende Vorsorge getroffen zu haben, wurde sie von den stets steigenden Flüchtlingszahlen eingeholt und vor neue Herausforderungen gestellt. Neue Erstaufnahmeeinrichtungen mussten dringend eröffnet werden. Die Situation gleicht dem Hase-und-Igel-Spiel, wie es Ministerpräsident Bodo Ramelow kürzlich formulierte.

Die Einrichtung in Suhl ist zu einem Drittel überbelegt. Die Enge führt zu Spannungen unter den Flüchtlingen, welche erst kürzlich zu einem Gewaltausbruch führte. So wurde deshalb eine dritte Erstaufnahmeeinrichtung in Mühlhausen erwogen. Bei den steigenden Flüchtlingszahlen sollte aber auch diese kaum ausreichen. Zumindest muss Thüringen Flüchtlinge noch nicht in Zelten unterbringen.

Dies führt natürlich auch in den Kommunen zu erheblichen Problemen, da mehr als die geplanten Flüchtlinge zugewiesen werden. So gestaltet sich beispielsweise im Kyffhäuserkreis, meinem Wahlkreis, die Unterbringung zunehmend schwieriger. In ständigem Kontakt mit den kommunalen Wohnungsverwaltungen stehend wird versucht, eine menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten. An der einst geplanten Strategie zur dezentralen Unterbringung kann dabei nicht mehr festgehalten werden. Zumindest kann man die Flüchtlinge noch gemeinsam in Wohnblöcken unterbringen. Dabei entstehen dann neue logistische Probleme, denn teilweise muss man gleichzeitig 20 Wohnungen mit Küchen, Waschmaschinen und anderen notwendigen Dingen ausrüsten.

Auffangen wollte man die Flüchtlinge eigentlich in einer Gemeinschaftsunterkunft in Sondershausen, um sie dann weiter in Wohnungen in den Orten zu verteilen. Doch auch diese Einrichtung ist mittlerweile voll belegt, so dass ein weiterer Teil angemietet werden muss.

Leider wurden in Sondershausen wie in anderen Orten nach dem Bekanntwerden der Nutzung einzelne Hasskampagnen gestartet. Mit fingierten Meldungen über Diebstähle versuchte man die Bevölkerung aufzuhetzen. 

Doch dagegen gründete sich unter anderem die Initiative “Sondershausen ist bunt”, die sich auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung, nicht nur aus Sondershausen, stützen konnte und kann. So wurden innerhalb kürzester Zeit Kleider- und Sachspenden organisiert und das Lohorchester  spielte zu einem Benefizkonzert auf, welches einen vierstelligen Betrag einbrachte. Mittlerweile haben sich die Aktivitäten der Initiative ausgeweitet. So werden Badbesuche und Sportveranstaltungen für die Kinder der Flüchtlinge organisiert.

Am Ende der Ferien gab es eine gemeinsame Feier zur Einschulung für alle Flüchtlingskinder. Die Initiative, die sich mittlerweile als Verein hat eintragen lassen, konnte alle Kinder mit Zuckertüten und Schulranzen ausstatten.

So wie dieser Verein helfen mittlerweile viele Initiativen und Vereine in Thüringen den hier Ankommenden aktiv bei der Organisation der ersten Schritte in einem sicheren Land. Die Willkommensinitiative in Erfurt, der Runde Tisch in Ohrdruf, Akzeptanz Gera e.V. und viele andere Freiwilligeninitiativen helfen, wo sie nur können.

Aber auch wenn die Kreise und Kommunen die Unterbringung noch schultern können, bleiben die finanziellen Probleme. Es werden zu wenige Sozialarbeiter finanziert und die Kommunen bleiben am Ende auf den Kosten zusätzlicher Wachdienste sitzen. Die ärztliche Betreuung ist nur ungenügend abgesichert, und um die traumatischen Folgen von Flucht und Gewalt kann sich kaum gekümmert werden. Hier ist der Bund gefordert, die finanzielle Ausstattung der Kommunen deutlich zu verbessern. Eine Forderung, die von den Ministerpräsidenten von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt erst am Donnerstag wieder gemeinsam in einer MDR-Fernsehsondersendung unterstrichen. Wir alle sind aufgerufen, für die Flüchtlinge menschenwürdige Bedingungen zu schaffen und uns Nazis und Rassisten entgegenzustellen.