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Foto: Rico Prauss

Haltung zeigen. Solidarisch handeln.

Kolumne von Dietmar Bartsch,

 

Von Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 
Wieder und wieder haben Rednerinnen und Redner der Fraktion DIE LINKE, ich auch, in den Haushaltsdebatten des Bundestages gefordert, den Etat des Bundes auf die Lösung der großen Herausforderungen unserer Zeit auszurichten. Wenn wir in dieser Woche die 1. Lesung zum Bundeshaushalt 2016 führen, steht diese Pflicht besonders dringlich. In Deutschland und in Europa eine humanistische Flüchtlingspolitik zu praktizieren, ist in der Tat eine Jahrhundertaufgabe! Wie schwer sie zu lösen ist, erleben unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ebenso hautnah wie all jene, die sich – oft ehrenamtlich – für die Betreuung und Versorgung der Menschen einsetzen, die in großer Not zu uns kommen. Vor allem in den Kommunen müssen Bedingungen geschaffen werden, dass alle spüren: Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen – jedes Menschen! – ist in Deutschland Staatsräson und gelebter Alltag. Solidarität steht auf der Tagesordnung. Viel beruht auf dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger, das sie tausendfach beweisen. Entscheidendes hängt vom Funktionieren der Institutionen ab, nicht zuletzt vom Geld und von materiellen Bedingungen. Die Menschen müssen Haltung zeigen und der Staat ist gefordert! 

Ein reiches Land wie Deutschland kann eine menschliche Flüchtlingspolitik betreiben. Im ersten Halbjahr 2015 können Bund, Länder und Gemeinden mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 21,1 Milliarden Euro rechnen. So hat es das Statistische Bundesamt mitgeteilt. Es wäre eine notwendige und wirksame Sofortmaßnahme, einen erheblichen Teil dieses Geldes zugunsten der Flüchtlinge einzusetzen. Das schließt ein, Wege zu öffnen, dass auch Mittel des Bundes tatsächlich in den Städten und Gemeinden ankommen. Natürlich weiß ich als Haushälter, dass die Haushaltsordnung solche Direktzuwendungen des Bundes für Kommunen nicht vorsieht. Aber wenn die Bundeskanzlerin dieser Tage neben „deutscher Gründlichkeit“ auch Flexibilität einfordert, könnte hier ein sinnvoller Beweis dafür erbracht werden.  

Grundsätzlich darf die Bundesregierung die anstehende Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nicht weiter auf die lange Bank schieben. Und: Dass sich die Länder der Europäischen Union die Anstrengungen und Kosten der Aufnahme von Flüchtlingen redlich teilen, ist eine berechtigte Forderung. Die Bundesregierung könnte sie glaubhafter vertreten, verfolgte sie nicht anderen Staaten gegenüber eine Politik der Erpressung und der Spardiktate, die es etwa Griechenland unmöglich macht, Handlungsfähigkeit und Zukunftschancen zu gewinnen. 

Jetzt sind haushaltspolitische Entscheidungen zu treffen, die über den Tag hinaus reichen. Unsere Fraktion tritt dafür ein, dass der  Bund für die Phase des Asylverfahrens und eine Übergangszeit die Kosten der Aufnahme, Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen übernimmt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss strukturell und personell in die Lage versetzt werden, Asylverfahren unter Wahrung hoher Verfahrensstandards zügig zu führen.   

Darüber hinaus können und müssen über den Bundeshaushalt Schritte gegangen werden, um Fluchtursachen zu begrenzen. Dazu sollte es gehören, endlich die Selbstverpflichtung einzulösen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen. Eine Aufstockung des deutschen Beitrages für das Welternährungsprogramm – von jetzt 162 auf künftig 500 Millionen Euro – wäre ein Beitrag in vergleichbarem Sinne. Auf der Agenda steht nicht zuletzt eine deutliche Reduzierung der Rüstungsausgaben und der Rüstungsexporte. Das Milliardengrab Flughafen Berlin-Brandenburg ist ein Sparmodell, verglichen mit dem, was das Haus der Ursula von der Leyen in den Sand setzt. Hunger und Armut auf der Welt können nicht mit Gewehren, Kampfhubschraubern oder Fregatten bekämpft werden, egal, ob diese gut oder gar nicht funktionieren! 

Zwei Aufgaben, die seit Jahren nicht oder nicht konsequent genug angegangen werden, wird DIE LINKE bei den nun anstehenden Haushaltsberatungen wieder ansprechen: Die ungleiche und sozial ungerechte Entwicklung von Einkommen und Vermögen, die endlich gestoppt und in eine Umverteilung von oben nach unten gelenkt werden muss. Und um der Zukunftsfähigkeit unseres Landes willen gehört der Investitionsstau in Bildung, Wissenschaft, Gesundheit und Infrastruktur rasch aufgelöst. In Deutschland haben nicht nur viele Straßen erhebliche Löcher, sondern auch die digitale Infrastruktur.

Bei all dem reden wir nicht neuen Schulden das Wort. Die Hauptquellen zur Finanzierung unserer Forderungen sind die Einführung einer Millionärsteuer auf Privatvermögen mit einem Freibetrag von einer Million Euro und einem Steuersatz von 5 Prozent; die Rücknahme der Senkung der Körperschaftssteuer und die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage; die Reform der Erbschaftsteuer; die Einführung einer Finanztransaktionsteuer und Streichungen im Verteidigungsetat.