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Haftungsfonds für Hebammen schaffen

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Foto: © iStockphoto / Linda Yolanda

 

Seit Jahren werden die Zeiträume, in denen die Hebammen Alarm schlagen, immer kürzer. 2012 gab es einen Termin bei Kanzlerin Merkel. Dann wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Führung des Gesundheitsministers eingerichtet – die Ergebnisse stehen noch aus. Zuletzt setzte sich Minister Gröhe am 18. Februar 2014 mit den Hebammenverbänden zu einem Krisengespräch zusammen. Eine Lösung für die ausufernden Haftpflichtprämien ist nicht in Sicht. Der Pressemeldung der Hebammen, dass der Minister kurzfristige Hilfe und eine grundsätzliche Lösung in Aussicht gestellt hat, widersprach Gröhe gleich am nächsten Tag. Es werde geprüft. Auch die Große Koalition übt sich in Lippenbekenntnissen. Seit Jahren fordert DIE LINKE eine strukturelle Lösung: einen staatlichen Haftungsfonds. Bereits 2010 haben wir einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Leider haben weder die SPD noch die Grünen diesen unterstützt.

Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, zieht eine verheerende Bilanz: „Die flächendeckende Versorgung mit Hebammenleistungen ist längst nicht mehr gewährleistet. In immer mehr Gebieten wird Frauen eine Alternative zur Klinikgeburt – zu Hause oder in Geburtshäusern – gar nicht mehr geboten. Freiberufliche Hebammen können die verpflichtende Haftpflichtversicherung nicht mehr bezahlen. Die Prämien sind explodiert, der Markt ist zusammengebrochen. Die Absicherung der Geburtsrisiken von Mutter und Kind ist durch einen privaten Versicherungsmarkt nicht zu gewährleisten. Nur ein staatlicher Haftungsfonds schützt die Hebammen vor den Versicherungen.“

Betroffen sind nicht nur außerklinische Geburten. Die Vor- und Nachsorge von Wöchnerinnen ist nicht mehr gesichert. Immer weniger Hebammen sind finanziell in der Lage, eine Wochenbettbetreuung anzubieten. Durch die niedrigen Honorare der Krankenkassen rechnet sich das nicht. Die Wochenbettbetreuung der Mutter wird schlecht, die des Kindes überhaupt nicht vergütet. Im Schnitt liegt das Einkommen (Gewinn) einer freiberuflichen Hebamme bei 15.500 Euro im Jahr (2010). Daraus müssen noch die Kranken- und Rentenversicherung bestritten werden. Cornelia Möhring fordert: „Eine wirksame Honorarreform muss sofort auf den Weg gebracht werden. Hebammen leisten eine qualifizierte und wichtige Arbeit, die gut entlohnt werden muss.“

Birgit Wöllert, Obfrau der LINKEN im Ausschuss für Gesundheit, stellt fest: „Es gibt eine Mangelversorgung der Frauen bei der aufsuchenden Wochenbettbetreuung. Die Hebammen, die diese Leistungen anbieten, können die Nachfrage der Frauen nicht erfüllen. Dabei ist der Bedarf gestiegen. Wöchnerinnen werden meist schnell aus der Klinik entlassen, denn die rechnen über Fallpauschalen ab. Die Hebamme übernimmt die medizinische und psycho-soziale Nachbetreuung von Mutter und Kind. DIE LINKE bezieht Hebammen und andere Heilberufe bei der Versorgungsplanung im ländlichen Raum und in sozialen Brennpunkten ein, und das schon seit Jahren. Andere Parteien haben nur Ärztinnen und Ärzte im Blick.“

Freiberufliche Hebammen arbeiten auch als Beleghebammen in Krankenhäusern. Wie bei Hausgeburten oder in Geburtshäusern wird so meist eine 1 zu 1-Betreuung von Hebamme zu Wöchnerin möglich, die viele Frauen schätzen. Doch nach und nach schließen immer mehr Kliniken ihre Geburtshilfestation. Der Wettbewerb um lukrative „Geschäftsfelder“ ist voll entbrannt. Abteilungen mit hohen Kosten oder Risiken, wie Geburtshilfe oder Intensivstationen, werden geschlossen. Wirtschaftlich attraktive Eingriffe wie Kaiserschnitte nehmen zu. Hier gehört die Bundesrepublik zur Weltspitze, gleichauf mit den Spitzenreitern Australien und USA. Je 1 000 Geburten wurden in Deutschland 314 Kaiserschnitte durchgeführt, in den USA 329, in Australien 287. (Zum Vergleich: Dänemark 211, Schweden 168, Großbritannien 239, Niederlande 148). Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage hervor.

Wenn Beleghebammen gehen, steigt der Arbeitsdruck der angestellten Hebammen. Birgit Wöllert sagt: „Die Arbeitsverdichtung im Krankenhaus wird auf dem Rücken der Hebammen ausgetragen. Das geht zu Lasten der Qualität und der Betreuung der Wöchnerin. DIE LINKE fordert eine verbindliche bundesweite Personalbemessung in Krankenhäusern – auch für die Hebammen. Leider haben die anderen Parteien unseren Antrag dazu 2013 abgelehnt.“

Cornelia Möhring bekräftigt: „Wir lassen nicht locker. Wir sind im Gespräch mit den Hebammen und ihren Verbänden und werden kurzfristig parlamentarische Initiativen in den Bundestag einbringen. Es bleibt viel zu tun, bis sich die wirtschaftlichen Verhältnisse für die Hebammen bessern und jede Frau eine Wahlmöglichkeit hat, wie und wo sie gebären möchte. Vor- und Nachsorge, 1 zu 1-Betreuung, weitere Verbesserung der Qualität der Geburtshilfe – alles Themen, die heute auf die Tagesordnung gehören.“ Birgit Wöllert erläutert: „In den bisherigen Anhörungen im Bundestag war es DIE LINKE, die gegen den Widerstand aller anderen Parteien darauf bestanden hat, alle Hebammenverbände und ihre Institute zu öffentlichen Anhörungen einzuladen. Als Obfrau im Ausschuss für Gesundheit werde ich mich weiter dafür einsetzen, dass Hebammen direkt zu Wort kommen und nicht andere über sie reden und entscheiden.“

linksfraktion.de, 24. Februar 2014