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Gut, besser, Bundesregierung

Periodika,

»Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung.« Angela Merkel im Bundestag am 21. November 2012. Eine Glosse

Undankbar ist der Mensch, ignorant und doof. Große Taten, historische Errungenschaften erscheinen ihm gleich weniger wunderbar, fast selbstverständlich, wenn er ihnen nur oft genug begegnet.

Wer häufig im Parlamentsplenum weilt, der weiß beispielsweise gar nicht mehr zu schätzen, welches Kleinod ihm da regelmäßig vor die Nase gesetzt wird – und zwar vorn rechts neben dem Rednerpult. Dort wird normalerweise für Abgeordnete und Besucher die Bundesregierung ausgestellt. Doch im Augenblick ist das nicht nur irgendeine Durchschnittsregierung, sondern die, wie Angela Merkel unlängst amtlich festgestellt hat, »erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung«.

 

Doch statt dieses Juwel der Staatskunst nun zu preisen und zu feiern, werden sein Wert und seine Einzigartigkeit bezweifelt. Dabei ist der größte und kaum erwartbare Erfolg schon bei oberflächlicher Betrachtung offenkundig: Diese Bundesregierung ist vorhanden. Weiterhin. Es gibt sie immer noch. Das zweite Kabinett Merkel befindet sich nach wie vor seitlich vom Rednerpult. Seit gut drei Jahren. Verdient es in diesem flatterhaften Zeitalter nicht höchste Anerkennung, wenn Partner miteinander verbunden bleiben, obwohl sie sich einigermaßen verachten, einander für »Wildsäue« und »Gurkentruppen« halten und sich schon öfter hintergingen als Jörg Kachelmann seine Frauen? Beruht es nicht auf einer nachgerade herkulischen Kraftanstrengung, dass kein Koalitionär je den anderen verprügelt hat? Die – zumindest bislang – anhaltende Abwesenheit physischer Gewalt macht diese Bundesregierung zum Vorbild für jede hoffnungslos zerrüttete Beziehung.

 

Wem das als Beweis von Größe und Herrlichkeit nicht genügt, der möge bedenken, wie viele Menschen unter dieser Bundesregierung Arbeit gefunden haben. Aus einem einzigen altmodischen Arbeitsplatz entstanden viele hauchzarte Arbeitsplätzchen. Dabei wurde stets darauf geachtet, dass sozial nur ist, was Arbeit schafft. Deshalb ist bei vielen Minijobs zum Glück nicht die Arbeit mini, sondern nur die Bezahlung.

Beispiellos ist der Einsatz des Kabinetts für Benachteiligte. Als unlängst das ganze Ausmaß ihres Elends die Bedrängten mit voller verbaler Wucht zu treffen drohte, schritt die Bundesregierung beherzt ein. Das war keineswegs, wie bescheiden aus dem Arbeitsministerium von Ursula von der Leyen verlautete, ein »ganz normaler Vorgang«. Nein, das war Einsatz und Rettung in höchster Not. So blieben Geringverdiener davor verschont, dass man ihnen Grausamkeiten vorhielt wie: »Allerdings arbeiteten im Jahr 2010 in Deutschland knapp über vier Millionen Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter sieben Euro.« Sie wurden auch nicht dadurch geschockt, dass »die Privatvermögen in Deutschland […] sehr ungleich verteilt« sind. Ebenso blieben ihnen Aussagen erspart über steigende Löhne im oberen und sinkende im unteren Bereich, über ein verletztes Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung und eine Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Auf diese Weise, nämlich die mutige, ja kühne Bearbeitung des Armutsberichts, gelang es der Bundesregierung, Schaden von großen Teilen des deutschen Volkes fernzuhalten beziehungsweise in Übereinstimmung mit dem Amtseid »von ihm [zu] wenden«.

 

Der Erfolg der erfolgreichsten Bundesregierung färbt ab. Zum Beispiel auf den Berliner Senat. So konnte dessen Chef Klaus Wowereit jetzt aus aktuellem Anlass feststellen: »Diese Regierung arbeitet erfolgreich.« Auch hier vereinen sich aufs Schönste Selbstbewusstsein und Realitätssinn. Und geht es dann in Richtung Wahlen, dann klappt es auch mit dem Superlativ.

 

G. A. Mierend