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»Grüner Sozialismus, was auch immer«

Im Wortlaut,

Die Ressourcen werden immer weniger und der Klimawandel immer drängender. Künftige Probleme können nur mit einem grundlegenden Wandel in der Politik gelöst werden.

Von Simon Poelchau

In der Analyse ist man sich oft einig, doch wenn es um die Konsequenzen geht, dann scheiden sich meist die Geister. So war es auch bei der Projektgruppe 3 der Enquete-Kommission »Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität« des Bundestages. Diese Gruppe beschäftigt sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der Entkopplung des wirtschaftlichen Wachstums vom Ressourcenverbrauch. Weil der Opposition die Vorschläge von Union und FDP nicht konkret genug waren, haben Abgeordnete von SPD, Grünen und LINKE gemeinsam Sondervoten zum Projektbericht eingereicht.

»Der Klimawandel, die Landschaftszerstörung, die Vernichtung der Biodiversität oder die Übersäuerung der Ozeane sind Beispiele für die Überschreitung der Umweltgrenzen«, heißt es in dem am Montag in der Enquete-Kommission diskutierten Bericht. In allen Fällen könne dies neben schwerwiegenden ökologischen Folgen auch erhebliche soziale, wirtschaftliche und politische Konflikte nach sich ziehen. Angesichts der vielfältigen Krisen, besteht also viel Bedarf zum Handeln.

Im Gegensatz zur Regierungskoalition genügt es Vertretern der rot-rot-grünen Opposition dabei
nicht, mit ein, zwei Maßnahmen, der ökologischen Katastrophe entgegenzuwirken. Mitglieder aller
drei Oppositionsparteien brachten in der Enquete-Kommission gemeinsam zwei Änderungsanträge zum siebten Kapitel des Berichts der Projektgruppe 3 ein. Einer dieser Anträge beschäftigt sich mit dem Begriff der »sozial-ökologischen Transformation« und legt den Schluss nahe, dass es grundlegende Veränderungen bedarf, um den kommenden Herausforderungen
Herr zu werden.

Bei der Aussprache in der Kommission kannten die Mitglieder der Regierungskoalition dann auch kein Halten mehr. Für den CSU-Politiker Georg Nüßelein ist die sozial-ökologische Transformation »grüner Sozialismus, was auch immer«. Seine Kollegin von der FDP, Judith Skudelny, will sich immer gegen diesen Begriff gewehrt haben. »Es ist nicht alles schlecht«, sagte sie.

Doch der Obmann der Projektgruppe, der grüne Bundestagsabgeordnete Hermann Ott, ist sich
sicher: »Es muss künftig anders gewirtschaftet und gelebt werden.« Technologischer Fortschritt alleine reiche dafür nicht aus. »Wir brauchen zur sozial-ökologischen Transformation neue politische, wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen«, betonte Ott. Er hat mit Vertretern von SPD und LINKE auch ganz konkrete Handlungsempfehlungen aufgestellt. So sollen etwa Klimaschutzgesetze auf Bundes- und Landesebene eingeführt, ein Energieeffizienzgesetz aufgelegt und Genossenschaften gefördert werden. Auch die Frage, wie wir uns künftig fortbewegen sollen, stellt sich angesichts immer knapper werdender Ressourcen. Denn mit dem Pkw zu fahren, kostet viel Benzin. Die SPD-Politikerin Waltraud Wolff schlägt deswegen vor, den öffentlichen Personennahverkehr zu stärken. »Das sind Möglichkeiten der Ordnungspolitik, wo man Menschen motiviert, ihr Auto einfach zu Hause zu lassen«, sagte sie.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, Ulla Lötzer, betonte die soziale
Komponente bei der angestrebten sozial-ökologischen Transformation. »Die globale Umweltkrise
trifft vor allem sozial Schwache: Deswegen fordern wir nicht zuletzt konkrete Maßnahmen gegen Rohstoff-und Lebensmittelspekulationen«, erklärte Lötzer. Für sie kann sich Deutschland auf seiner vermeintlichen Vorreiterrolle bei der Energiewende noch lange nicht ausruhen: »Deutschland ist als eines der führenden Industrieländer Teil des Problems und noch nicht
Teil der Lösung.«

neues deutschland, 19. Februar 2013