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Gleichstellung nicht mit Tippelschritten

Im Wortlaut von Barbara Höll,

Die steuerliche Gleichbehandlung lesbischer und schwuler Paare kann nur der Auftakt zur vollständigen Gleichstellung sein.

Von Barbara Höll, Sprecherin für Lesben- und Schwulenpolitik sowie Steuerpolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

Vor 11 Jahren setzte der Gesetzgeber mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz ein deutliches Signal zur Gleichbehandlung von Lesben und Schwulen. Sieben Jahre nach der Streichung des Paragraphen 175 im Jahr 1994. Die DDR hatte den Paragraphen bereits 1989 gestrichen. Dieser so schändliche Paragraph stellte bis dato von 1871 an die männliche Homosexualität unter Strafe. Seitdem hat sich vieles verändert.

Wir wissen aus zahlreichen Umfragen, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung die Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ablehnt und selbst ein gemeinsames Adoptionsrecht mehrheitlich befürwortet.

Bei der Einführung der Lebenspartnerschaft musste der Gesetzgeber noch erhebliche Widerstände überwinden. Bayern und Thüringen klagten 2002 gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz und holten sich beim Bundesverfassungsgericht eine gehörige Ohrfeige ab. Bundesländer und Kommunen behinderten das Gesetz und diskriminierten und diskriminieren bisweilen Lesben und Schwule weiterhin.

Das Gesetz hatte von Anfang an ein Manko. Es stellte nicht vollständig gleich. Viele Bereiche wurden ausgeklammert, denn Union und FDP blockierten im Bundesrat weitergehende Regelungen. Insbesondere im Steuerrecht und im Adoptionsrecht.

In den letzten Jahren haben wir uns in Trippelschritten auf die Gleichbehandlung zubewegt. Ganz wichtig waren die Änderungen im Erbschaftssteuerrecht und in der Zulassung der Stiefkindadoption. Einzelne Bundesländer, wie das damals Rot-Rot regierte Berlin, sorgten im Landesrecht für die völlige Gleichbehandlung. Seit 2009 hat sich das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. Es machte deutlich, dass es für eine Ungleichbehandlung keine Sachgründe gibt. Auch der Verweis auf auf Artikel 6 Absatz 1 - also der Schutz von Ehe und Familie - kann den Gleichheitsgrundsatz nicht aushebeln, der in Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verankert ist.

Damals urteilte das Bundesverfassungsgericht über die Ungleichbehandlung bei der Hinterbliebenenrente. Weitere Entscheidungen folgten, wie jüngst zum Beamtenrecht und zur Erwerbsgrundsteuer. Andere stehen noch an, wie bei der Frage des Ehegattensplittings. Karlsruhe wird auch weiterhin den Gesetzgeber in allen Bereichen zur Gleichstellung verpflichten.

Da die Lebenspartnerschaft die gleichen Pflichten hat, muss sie auch die gleichen Rechte haben. Deshalb sollte gleiches Steuerrecht für alle gelten, also für die eingetragene Lebenspartnerschaft genauso wie für die Ehe. Dies kostet gerade mal 30 Millionen Euro. Im Vergleich: Das Ehegattensplitting insgesamt kostet 20 Milliarden Euro. Doch Finanzminister Schäuble stellt sich quer. Schwule und lesbische Paare sind in einer steuerrechtlich schwierigen Rechtssituation. Nach verschiedenen Finanzgerichtsentscheidungen müsste die steuerliche Gleichbehandlung eigentlich erfolgen, doch dies geschieht nicht.

Die im Koalitionsvertrag festgeschriebene steuerliche Gleichbehandlung soll nach Ansicht der Regierungskoalition erst erfolgen, wenn das Bundesverfassungsgericht auch in diesem Bereich entschieden hat. Das ist absurd und zeigt, dass Konservative wie Herr Schäuble weder den Geist der Bundesverfassungsgerichtsurteile noch den Zeitgeist erkannt haben. Die jetzige Initiative von 13 Abgeordneten der Union und Bundesfamilienministerin Christina Schröder zur steuerlichen Gleichbehandlung ist ein begrüßenswerter Schritt, der sich aber auch im Abstimmungsverhalten niederschlagen muss.

Natürlich hat sich das Ehegattensplitting insgesamt überlebt: Denn von den 20 Milliarden, die das Splitting den Staat kostet, geht ein Großteil an Ehepaare ohne Kinder beziehungsweise an Ehepaare, in deren Haushalt keine Kinder mehr leben, weil sie inzwischen zu Hause ausgezogen sind. 9 Prozent der veranlagten Ehepaare sind kinderlos. Von den in Deutschland lebenden 13 Millionen Kindern wachsen 17 Prozent bei Alleinerziehenden auf. Diese Kinder gehören gefördert und nicht das Ehegattensplitting nach dem Gießkannenprinzip. Deshalb sollten wir das Sozial- und Steuerrecht individualisieren. Doch bis dahin darf es keine Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft geben.

Statt die Lebenspartnerschaft in zahlreichen Einzelgesetzen gleichzustellen, gäbe es auch einen leichteren Weg: die Öffnung der Ehe. Es gibt ein überparteiliches gesellschaftliches Bündnis, das die Öffnung der Ehe fordert. Diesem Bündnis gehören neben vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen die SPD, die Grünen, DIE LINKE, aber auch die FDP und die Lesben und Schwulen der Union an. In den USA streitet Präsident Obama für die Eheöffnung. In Großbritannien wird die Ehe für Lesben und Schwule demnächst von einer konservativ-liberalen Regierung eingeführt. In vielen europäischen Staaten - selbst stark katholisch geprägten Staaten wie Spanien - gibt es sie schon. DIE LINKE brachte in dieser Legislaturperiode als erste Fraktion einen Antrag zur Öffnung der Ehe ein, den die SPD im letzten Sommer noch abgelehnt hat. Gut, dass sie mittlerweile ihre Position geändert hat.

DIE LINKE kämpft für die rechtliche und gesellschaftliche Beendigung der Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen. Bis zum Ziel einer vollständigen gesellschaftlichen Gleichbehandlung ist es noch ein weiter Schritt aber die gesetzliche Gleichbehandlung kann sehr schnell erfolgen. Diesen Weg sollten wir gehen.

linksfraktion.de, 10. August 2012