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Gewissen ja – Schutz nein

Im Wortlaut,

Kommentar

Von Inge Hannemann

Whistleblower gelten gemeinhin als Nestbeschmutzer, Querulanten oder Verräter oder wie am aktuellen Beispiel von Edward Snowden sogar als Staatsverräter. Wikipedia beschreibt diese Menschen auch als "Enthüller", "Skandalaufdecker" oder "Hinweisgeber". Sie geben wichtige Informationen, zumeist über Missstände in der Öffentlichkeit bekannt und wissen oftmals auch um die Brisanz der Hinweise. Dabei können die Missstände Gefahren am Arbeitsplatz oder allgemeine Informationen beinhalten. Von einem Hobby kann in diesem Fall nicht gesprochen werden.

Aus der Sicht des Unternehmens oder einer Behörde sind Whistleblower Verräter und werden dementsprechend gemobbt - bis hin zur fristlosen Kündigung. Nicht das Aufdecken der Missstände und entsprechende innere Korrektur zählen, sondern zumeist der eigentliche Ruf der betroffenen Institutionen. Eine Angst vor Rufschädigung, vor negativer Presse und der eventuellen Aufdeckung von Korruption lassen die Getroffenen in emotionale Reaktionen verfallen. So ist es nicht verwunderlich, dass genau diese sehr gerne davon sprechen, dass der Whistleblower gar kein Whistleblower sei. Wahrheit darf nicht Wahrheit bleiben. Im extremen Fall werden die Enthüller als Lügner oder psychisch krank betitelt und sämtliche Wege ausgelotet, diese von der Bildschirmfläche zu eliminieren. Dabei kann jedes Mittel recht sein. Helfen Diffamierungen, Denunziantentum oder Abmahnungen nicht weiter, folgt unter aller Ignoranz des Arbeitsrechts die fristlose Kündigung. Somit gilt: Nur ein entlassener Mitarbeiter ist ein guter Mitarbeiter. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei den getroffenen Institutionen um Wirtschaftsunternehmen oder öffentliche Behörden handelt.

US-Präsident Barack Obama sprach noch vor seiner Wahl zum Präsidenten davon, dass Whistleblower die wertvollste Quelle für Informationen über Regierungsfehlverhalten seien. Auch versprach er, die Transparenz des Regierungshandelns zu steigern. Im Fall Snowden vergessen und somit verraten. Auch Obama verfiel den Emotionen des getroffenen Hundes und denunzierte Snowden als Lügner und Staatsverräter. Nicht anders sieht es in Deutschland aus. Die vier geschassten ehemaligen Steuerfahnder aus Hessen, die Altenpflegerin Brigitte Heinisch oder auch Klaus Förster, Leiter der Steuerfahndungsstelle in St. Augustin, deren Arbeit in den bedeutendsten Parteispendenskandal der Bundesrepublik Deutschland mündete, haben eines gemeinsam. Sie arbeiten nicht mehr in ihrem Bereich und sind zum Teil aufgrund des großen psychischen Drucks durch Diffamierungen und den langen Gerichtsverhandlungen mit ihren ehemaligen Arbeitgebern inzwischen erwerbsunfähig und beziehen Rente. Ihre berufliche Laufbahn endete mit den Enthüllungen. Zwar bekamen sie vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihre Rechte als Whistleblower anerkannt, eine finanzielle und soziale regelmäßige Sicherheit durch die Ausübung einer Tätigkeit gab es jedoch nicht.

Was bringt Whistleblower dazu, ihre bisherige finanzielle Sicherheit durch einen Job in Gefahr zu bringen? Interviews mit Whistleblowern zeigen klar auf, dass das Gewissen über das Wissen der Missstände stärker wiegt, als ihre eigene Person oder die finanzielle Sicherheit. Sie wissen zumeist um ihre Zukunft und verschaffen sich mit dem Outing Luft. Eine Luft, die scheinbar nötig ist, um all die Gefahren auszuhalten, denen sie ausgesetzt sind.

Deutschland ist ein Land, in dem Whistleblowing bisher nicht durch ein besonderes Gesetz geschützt ist. Bereits seit 2008 diskutiert der Bundestag um den Whistleblowerschutz. Anhörungen um Anhörungen im Bundestag in den letzten Jahren brachten keinen größeren Schutz. Und so gilt für die Bundesregierung bis heute, das Whistleblower durch das ausreichende bestehende Arbeitsrecht und die allgemein kündigungsrechtlichen Vorschriften ausreichend geschützt seien. Ein Antrag zur gesetzlichen Verankerung des Informantenschutzes für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), den die Länder Berlin und Hamburg 2011 im Bundesrat einreichten, wurde abgelehnt. Ziel war der Schutz von Whistleblowern vor unverhältnismäßigen Sanktionen durch den Arbeitgeber. Geändert hat sich bis heute nichts. So bleiben die Whistleblower unter sich, leben mit den Narben der Gerichtsverfahren und den Diffamierungen und würden es trotzdem immer wieder tun. Das nennt sich Mut, Zivilcourage und sollte Mut machen. Nicht nur in der Bevölkerung, sondern vor allem im Bundestag. Und hier ist Deutschland ein Entwicklungsland.