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Gemeinsam können wir etwas bewegen

Kolumne von Dorothée Menzner,

Von Dorothée Menzner, niedersächsische Abgeordnete und energiepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 

 

 

Aufgewachsen im Ballungsgebiet Rhein/Main, kam ich 1986 nach Niedersachsen. Von Beginn an faszinierte mich, dass es hier neben schönen, lebenswerten Städten viele ländliche Regionen gibt. Ländliche Regionen mit sehr unterschiedlichen Gesichtern. Harz, Heide, Fehnland, die ostfriesische Küste oder auch das wunderschöne Wendland. Viele Regionen habe ich im Laufe der Jahre gut kennengelernt. Das Wendland zum Beispiel über meine Anti-Atom-Aktivitäten. Das Neustädter Land, wo ich seit Jahren wohne. Ostfriesland, in dem ich seit 2005 ein Regionalbüro betreibe. Aber auch die Südheide rund um Gifhorn, in der ich viele Jahre lebte. Es stimmt wirklich: Wir leben da, wo andere Urlaub machen. Doch so idyllisch diese Regionen, so solidarisch die Menschen sind und so vital der Zusammenhalt in den meisten dörflichen Gemeinschaften ist: Man darf sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch große Probleme gibt und die Landespolitik zu wenig für ihre Lösung tut.

Da ist zum Beispiel der öffentlicher Nahverkehr. In den ländlichen Regionen Niedersachsens ist es keine Seltenheit, dass Schulkinder ab der 5. Klasse Schulwege von über einer Stunde mit dem Bus zurückzulegen haben. Es gibt Orte, von denen aus man morgens oder mittags mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Kreisstadt viele Stunden braucht und abends oft gar keine Verkehrsverbindungen bestehen. Das grenzt aus - Kinder, Jugendliche, Alte, Menschen ohne Führerschein und zwingt alle anderen ohne Rücksicht auf Einkommen oder ökologischen Willen dazu, ein Auto zu haben, zwingt Eltern zu Taxidiensten für die Kinder und macht damit faktisch oft eine Berufstätigkeit der Mutter unmöglich. Oft sind Familien sogar gezwungen, zwei Autos zu unterhalten - eine enorme finanzielle Belastung.

Oder das Problem des Alterns in der Provinz. Bei oberflächlicher Betrachtung eine schöne Vorstellung, in einer meist intakten Nachbarschaft im vertrauten Umfeld alt zu werden. Doch die Kehrseite heißt: Ausdünnung der Krankenhausversorgung, oft keine Einkaufsmöglichkeiten, wenn man nicht mehr Autofahren kann, lange Rettungswege im Notfall, Ärzteengpass auf dem Land, denn viele Hausarztpraxen finden keine Nachfolger. Dazu kommt die eingeschränkte Leistung mobiler Pflegedienste, weil sie sich für die Anbieter einfach nicht rechnet. Mit der Notwendigkeit stationärer Pflege brechen aber jahrzehntelange soziale Kontakte weg. Wo sind die Konzepte der Landesregierung zur Lösung solcher Probleme? Oder will sie die ländlichen Regionen nur noch als Produktionsstandorte für Lebensmittel und Energie erhalten? Die Gemeinden, die am besten wüssten, was zu tun ist, verarmen und haben längst keine Spielräume mehr.

Energiepolitik ist meine Leidenschaft. Nicht erst, seit ich Niedersächsin bin. Doch gerade in unserem Bundesland kulminieren auch ihre Fragen und Probleme. Zum Beispiel die nach der Lagerung des Atommülls, der gedankenlos seit Jahrzehnten erzeugt wurde. Oder nach dem Sinn und Unsinn von Biogasanlagen. Wer durch das Land fährt, sieht überall die riesigen Maisfelder. Wie viele brauchen wir davon und ab wann wird es problematisch? Auch die Windenergie wirft neue Fragen auf, etwa nach dem Repowering von Onshore-Windenergieanlagen. Und wie viele Offshore-Windanlagen erträgt unser einzigartiges Wattenmeer? Wie werden die Übertragungsnetze, aber auch die Verteilnetze fit gemacht für das Zeitalter der regenerativen Energien? Vor allem aber: Wer wird die Kosten dafür tragen?

Das Gute ist: Zu all diesen Themen gibt es bei uns erfahrene, engagierte und phantasievolle Initiativen und qualifizierte Experten aus eigener Betroffenheit. Mit ihnen zusammenzuarbeiten, ist mir sehr wichtig und ich habe schon viel von ihnen gelernt. Auch die Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen unserer Landtagsfraktion hat sich bewährt, denn viele Probleme können und müssen auf Landesebene geklärt werden. Gemeinsam können wir etwas bewegen. Das haben wir gezeigt. Und das wird auch so bleiben.