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Foto: Rico Prauss

Gemeinsam ins Vieltagerennen

Kolumne von Dietmar Bartsch,

 

Von Dietmar Bartsch, 2. stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Von Freitag bis Sonntag der vergangenen Woche beriet in Berlin der Bundesparteitag der Partei DIE LINKE. Wir Delegierte trafen uns im Velodrom, jenem Ort, an dem das berühmte Sechstagerennen stattfindet. Wenngleich der Parteikongress nur über die halbe Distanz lief, läutete er doch eine wesentlich längere und wichtige Etappe der politischen Arbeit ein.

Noch knapp zwei Wochen sind es bis zur Europawahl am 25. Mai. „Europa geht anders. Sozial, friedlich, demokratisch“, hat unsere Partei ihr Wahlprogramm überschrieben. Was so selbstverständlich daherkommt,  wird angesichts täglicher Nachrichten zum dringenden Gebot. In der Ukraine sterben Menschen in bewaffneten Auseinandersetzungen und an den Außengrenzen der EU ertrinken Flüchtlinge. In Südeuropa bangen viele, ob sie sich und ihre Familien weiter durchbringen können. Auch im reichen Deutschland wächst das Prekariat, es werden Bürgerinnen und Bürger ausgespäht und Soldaten in Kriege geschickt. Rechtspopulisten und Rechtsextremisten haben – 75 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges! – Chancen, ins Europaparlament einzuziehen. In Anbetracht solcher Entwicklungen werden die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014 auch zu einer Richtungsentscheidung: In welchem Europa wollen wir leben? Insofern will ich auch jene unter den Anhängern der LINKEN, die dieser Wahl skeptisch gegenüberstehen, ermutigen, ihre Stimme abzugeben. Die Europäische Linke mit ihrem Spitzenkandidaten Alexis Tsipras könnte gestärkt wieder ins EP einziehen. Das wäre ein wichtiges politisches Signal, übrigens just zehn Jahre nach Gründung der Europäischen Linkspartei, die Lothar Bisky und sein Freund Fausto Bertinotti maßgeblich initiierten.

Parallel zur Europawahl finden in zehn Bundesländern Kommunalwahlen statt. Es gibt nicht nur diesen zeitlichen, sondern auch einen alltäglichen inhaltlichen Zusammenhang der verschiedenen Handlungsebenen. Da wird, um nur ein Beispiel zu nennen, zwischen der EU und den USA im Geheimen ein Freihandelsabkommen ausgehandelt, das verheerende Folgen für soziale und demokratische Rechte, für den Verbraucherschutz, die Rechtssicherheit und vieles mehr haben kann. Wenn es in Deutschland nicht endlich gelingt, das simple Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“ durchzusetzen, wird die Bundestagsmehrheit weiter Beschlüsse fassen, deren finanzielle Konsequenzen die Städte und Gemeinden auszubaden haben, und die die kommunale Selbstverwaltung ad absurdum führen. Deshalb ist es wichtig, dass sich auch Abgeordnete unserer Bundestagsfraktion direkt kommunalpolitisch engagieren, so – um nur einige Beispiele zu nennen – Richard Pitterle als Stadtrat in Sindelfingen, Sigrid Hupach und Katrin Kunert als Kreistagsmitglieder im Eichsfeld bzw. in Stendal oder Herbert Behrens als Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Osterholz-Scharmbeck. Ich habe mir unlängst in Oldenburg, Aurich und Emden, in Weinheim, Heidelberg, Mannheim und Pforzheim ein Bild über das Engagement unserer Genossinnen und Genossen, Sympathisantinnen und Sympathisanten gemacht, vor denen ich nur den Hut ziehen kann. Ich tue es vor denen, die im Westen oft als Einzelkämpferinnen und -kämpfer unterwegs sind, wie gegenüber jenen, die im Osten leitende Verantwortung tragen, wie etwa  unser Landrat Jürgen Dannenberg, den ich jüngst in Wittenberg besuchte. Allen, die sich jetzt mit dem Mandat der LINKEN zur Wahl stellen, drücke ich fest die Daumen.

Nach dem guten Ergebnis bei der Bundestagswahl 2013 muss DIE LINKE in der Erfolgsspur bleiben, selbstverständlich auch bei den in Sachsen, Brandenburg und Thüringen ins Haus stehenden Landtagswahlen. Umso wirksamer können wir auf allen Ebenen agieren und auch unserer Rolle als stärkste Oppositionskraft im Deutschen Bundestag gerecht werden. Ein Blick auf die Tagesordnung der nächsten Sitzungswoche des Bundestages zeigt beispielhaft die genannten politischen Zusammenhänge und das Bemühen der LINKEN, dem gerecht zu werden. Unsere Fraktion hat für den 22. und 23. Mai zwei Anträge und einen Gesetzentwurf zu folgenden Themen auf den Tisch des Hohen Hauses gelegt: „Die Verhandlungen zum EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP stoppen“; „Gemeindewirtschaftssteuer einführen – Kommunalfinanzen stärken“ und „Einführung eines Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheid“. Wenn sich Gregor Gysi jetzt in Moskau darum bemüht, einen Beitrag zur Deeskalation im Ukraine-Konflikt zu leisten, so zeigt das einmal mehr, dass DIE LINKE immer bestrebt ist, Verantwortung auch ganz direkt wahrzunehmen – zuhause und international.

Bei Sechstagerennen sind Stehvermögen und taktisches Geschick gefragt. Das benötigt man manchmal auf einem Parteitag auch, in jedem Fall im Vieltagerennen der Politik. Erfolg haben wir nur gemeinsam. Viele müssen sich vielerorts einbringen. „Wir brauchen eine große Basis, damit die Pyramide nicht umkippt“, sagt Robert Bartko. Der war einst Lokalmatador beim Sechstagerennen im Velodrom.