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Karikatur: CETA und TTIP nicht in einen Topf werfen © Harm BengenFoto: Harm Bengen

Gabriels Mythos vom guten CETA

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Von Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat TTIP für „de facto gescheitert“ erklärt. Aber an CETA hält er unbeirrt fest - es sei ein gutes Abkommen. Damit fährt er ein Ablenkungsmanöver erster Klasse. Denn warum bitte soll CETA ein gutes Abkommen sein?

Es gibt unzählige gut begründete Gutachten und Studien, die unterschiedliche problematische Aspekte des EU-Kanada-Abkommens darlegen. So ist keinesfalls die Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung umfassend geschützt: Unbestimmte Rechtsbegriffe, Rückausnahmen und der Investitionsschutzmechanismus führen zu Lücken. Auch der Verband der kommunalen Unternehmen sorgt sich, ob der Vorbehalt zur Daseinsvorsorge ausreicht, um Rekommunalisierungen zu ermöglichen.

Die Paralleljustiz für Investoren ist sehr weitreichend, sie beschränkt sich mitnichten auf ein Diskriminierungsverbot. Dadurch werden demokratische Spielräume einschränkt, denn mögliche Verpflichtungen auf Schadensersatzzahlungen hemmen staatliche Akteure, strengere Gesetze und Auflagen zu bestimmen. Im Übrigen werden Tausende US-amerikanische Unternehmen mit Tochterunternehmen in Kanada den CETA-Investitionsschutz für sich nutzen können. Die Rede ist von etwa 42.000 Unternehmen. Außerdem gibt CETA das Vorsorgeprinzip auf, nachdem lieber keine Risiken eingegangen sondern präventiv Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Stattdessen stärkt das Abkommen den US-amerikanischen Ansatz, nachdem handelshemmende Maßnahmen grundsätzlich auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhen müssen. Auch das sogenannte „right to regulate“, nach dem Staaten das Recht haben im Sinne des Allgemeinwohls regulierend tätig zu werden, ist keineswegs sichergestellt. Künftige Gesetzgebung muss den Regeln in CETA entsprechen.

All diese Kröten sieht auch die SPD-Basis. Sie will CETA nicht. Doch Gabriel ist das egal. Seine Partei soll diese Kröten schlucken. Mit Tricksen und Täuschen versucht er, CETA durchzudrücken. Ende August äußerte er im ZDF-Sommerinterview im Hinblick auf die Abstimmung eines SPD-Konvents zu CETA: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die deutsche Sozialdemokratie Europa anhält und sagt, wir wollen lieber bei den ganz schlechten Handelsabkommen bleiben, die wir heute haben“. Das ist eine sehr eigentümliche Argumentation, die auch bei einem Fachgespräch zu CETA fiel: Man müsse CETA relativ zu anderen Freihandelsabkommen sehen, die noch viel schlimmer wären als CETA. Was ist das denn? Ein Handelsabkommen mit Kanada sollte nicht weniger schlimm sein als andere Handelsabkommen, sondern es sollte einen Mehrwert schaffen für die Bevölkerung, es sollte den Menschen nützen.

Auch die Kritik aus Gabriels Partei wurde nicht leiser. Deshalb versuchte Gabriel es mit einer weiteren Nebelkerze und schiebt dem parlamentarischen Prozess die Verantwortung für Nachverbesserungen zu: Das Parlament soll, nachdem er im Ministerrat Ja zu CETA und dessen vorläufiger Anwendung gesagt hat, das Abkommen durch eigene Beschlüsse verbessern. In der Beschlussvorlage des Parteivorstandes für den Konvent am 19. September heißt es: „Nach Beratung und einer positiven Beschlussfassung im Ministerrat ist dann der Weg für die weitere parlamentarische Behandlung und Ratifizierung frei (…). (…) Vor allem die Beratungen im Europäischen Parlament und später in den nationalen Parlamenten müssen dabei eine sorgfältige Prüfung sicherstellen und die noch offenen Punkte aufgreifen. Wir erwarten, dass zunächst das Europäische Parlament umfassend berät und wo erforderlich Klarstellungen erwirkt.“ Klar ist, dass das nicht funktioniert, weil über die vorläufige Anwendung – bei der die Parlamente nicht mitentschieden – bereits unumkehrbare Fakten geschaffen werden sollen. Nachverhandlungen schließt die EU-Kommission ohnehin aus. Jetzt nach Kanada zu reisen und auf die Schnelle irgendwelche Begleiterklärungen als Klarstellung zusammenzuschustern ist Politik nach dem Motto: Wenn du sie nicht überzeugen kannst, verwirr sie. 

Gabriel kann es drehen und wenden, wie er will: Nicht nur TTIP, auch CETA gehört verhindert.