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Für Innovation und soziale Gerechtigtkeit in Sachsen-Anhalt

Interview der Woche,

Gut gelaunt: Wulf Gallert nach seiner Wahl als Ministerpräsidentenkandidat für die Landtagswahl 2016 in Sachsen- Anhalt und der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow

 

Wulf Gallert, Ministerpräsidentkandidat der LINKEN für die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt am 13. März 2016, spricht im Interview der Woche über die positive Ausstrahlung von Bodo Ramelow, Versäumnisse der CDU-SPD-Koalition, seine Rolle als "Frauenversteher" und "Brückenbauer" sowie die Auseinandersetzung mit der AfD

 

In dieser Woche findet der vierte Parlamentariertag der LINKEN in Magdeburg statt, den Sie gemeinsam mit dem thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow eröffnen werden. Über den haben Sie mal gesagt: "Der größte Gefallen, den Bodo Ramelow uns tun kann, das ist: einfach so weiterzumachen wie bisher." Welche Hoffnung verbinden Sie damit?

Wulf Gallert: Bodo Ramelow als erster Ministerpräsident der LINKEN leistet eine hervorragende Arbeit. Er beweist, dass Rot-Rot-Grün nicht nur gut funktioniert, sondern besser ist, als eine CDU-SPD-Koalition. Das strahlt positiv auf Sachsen-Anhalt aus und ist für uns eine Ermutigung.

Am 13. März wählt Sachsen-Anhalt, das seit 2006 von einer Koalition aus CDU und SPD regiert wird, einen neuen Landtag. Wenn Sie die letzte Legislatur betrachten – wo steht das "Land der Frühaufsteher" heute?

Natürlich hat sich Sachsen-Anhalt auch in den letzten zehn Jahren entwickelt, allerdings schlechter, als alle anderen ostdeutschen Länder. In fast allen wirtschaftlichen Kenndaten trägt es die "rote Laterne". Bei Hochschule, Schule und Polizei zeigt sich die Schrumpfungspolitik am gravierendsten. Zurzeit hat man eher das Gefühl, das Land ist nach dem frühen Aufstehen stehengeblieben.

Sie streiten für einen Politikwechsel. Was würde den ausmachen und mit wem kann er gelingen?

Wir brauchen in Sachsen-Anhalt eine Aufbruchsstimmung. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die die Menschen im Land halten, wir müssen ihnen das Signal geben, dass sie hier ihre Ideen verwirklichen können, statt über Schrumpfung zu reden und damit die Menschen aus dem Land zu treiben. Wir setzen dabei auf eine rot-rot-grüne Mehrheit, die gemeinsam gestaltet.

Aufsehen haben Sie mit Ihren Wahlplakaten erregt. Unter Ihrem Konterfei heißt es da zum Beispiel "Frauenversteher" und "Brückenbauer". Was wollen Sie uns damit sagen?

Der "Frauenversteher" thematisiert mit einem Schuss Ironie die Situation von Frauen bei uns im Land. Schon zu viele haben das Land verlassen oder überlegen, dies zu tun, sie erhalten häufig nicht das Einkommen, das ihnen zusteht und sind an entscheidenden Stellen unterrepräsentiert. Das gilt es zu ändern und ist auch für mich als Mann eine Verpflichtung. Brücken bauen heißt, Verständnis zwischen Flüchtlingen und Einheimischen zu entwickeln, die Sorgen derjenigen in die Mitte der Gesellschaft zu transportieren, die an den Rand gedrängt sind, aber zum Beispiel auch mit aufgeschlossenen Unternehmern über gute Arbeit zu reden.

Mit den Flüchtlingen kam der Höhenflug der AfD, auch in Sachsen-Anhalt. Warum verfängt das Thema in Sachsen-Anhalt?

Einerseits gibt es seit langem eine Entfremdung zwischen den politischen Institutionen und einem größer werdenden Teil der Bevölkerung, der seine Interessen schon lange nicht mehr vertreten sieht. Die AfD saugt diese Stimmung auf und kanalisiert sie in eine antidemokratische Grundstimmung. Dazu kommt, dass Menschen in unsicheren Lebensverhältnissen die Flüchtlinge als zusätzliche Bedrohung ihrer Existenz empfinden. Andere wiederum sehen ihren Wohlstand bedroht, der auch Resultat der Verteilung des Reichtums zischen dem Norden und dem Süden ist.

Wie dem begegnen?

Zuerst müssen wir Grundwerte von Demokratie und Humanismus verteidigen. Und wir müssen die politische Agenda so gestalten, dass soziale Standards wie Tarif- oder Mindestlöhne für alle gelten, um eine Konkurrenz zwischen den Schwachen und den Schwächsten zu verhindern. Weiterhin müssen wir zusätzlich öffentliche Ressourcen zur Verbesserung der Lebenssituation aller mobilisieren, egal, ob es sich um Flüchtlinge, Hartz-IV-Empfänger oder Alleinerziehende handelt.

Jakob Augstein hat die AfD kürzlich in einer Kolumne als „pathologisches Symptom“ der liberalen Demokratie bezeichnet. Die AfD sei eigentlich "Politik gewordener Neoliberalismus". Was ist aus Ihrer Sicht das wahre Gesicht der AfD?

Die AfD ist ein Ergebnis von Neoliberalismus, also dem Prozess der permanenten Polarisierung innerhalb der Gesellschaft. Allerdings lässt sie sich selbst nicht unter dem Begriff des Neoliberalismus subsummieren, das stimmte noch in ihrer Anfangszeit, und heute noch etwas stärker im Westen. In der letzten Zeit und vor allem im Osten artikuliert sie sich eher völkisch-national, also als Verteidigerin der Deutschen, die ihre eigenen Lebensverhältnisse als unsicher beurteilen, gegen eine vermeintliche Bedrohung von außen. Hier wird Rassismus mit diktatorischen Politikmodellen gepaart.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft. Wie steht es um das Land Sachsen-Anhalt im Jahr 2020?

Das Land befindet sich jetzt an einem Scheideweg: Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Stagnation, verbunden mit einer Politik der nationalen Abschottung, ODER ein neuer Aufbruch, den Grundwerten von Solidarität, Weltoffenheit und Humanismus verpflichtet, als Land der Innovation, der sozialen Gerechtigkeit, als Land der Kultur und Dynamik – das sind die Alternativen. Ich kämpfe für die letztere und hoffe, dies wird das Bild von Sachsen-Anhalt im Jahr 2020 bestimmen.