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»Frau Merkel ist eiskalt, gerissen und zynisch«

Interview der Woche von Ulrich Maurer,

Ulrich Maurer kommentiert im Interview der Woche die Pläne der Koalition. Die Erhöhung des Hartz IV-Schonvermögens zeigt, dass DIE LINKE wirkt, reicht aber überhaupt nicht aus. Die Entlastung der Wirtschaft auf Kosten der Beschäftigten ist der falsche Weg. Die Fraktion DIE LINKE ist die einzige glaubhafte Oppositionspartei im Bundestag.

Die neue Regierung will das Schonvermögen für Hartz-IV-Beziehende erhöhen und erfüllt damit eine der zentralen Forderungen der Fraktion DIE LINKE. Können Sie sich darüber freuen?

Wir begrüßen die Absicht der Regierung, das Schonvermögen zu erhöhen. Es wird deutlich, dass DIE LINKE in der Opposition wirkt. Wenn Sozialverbände und wir uns nicht dafür eingesetzt hätten, wäre das Thema Schonvermögen nie auf dem Verhandlungstisch der Regierungskoalition gelandet. Aber klar ist auch: Es handelt sich nur um einen kleinen Aspekt unserer Forderungen. Die Erhöhung des Schonvermögens als alleinige Maßnahme gegen die Situation von Hartz-IV-Empfängern ist viel zu wenig. Arbeitslosengeld I und Kurzarbeitergeld müssen umgehend verlängert werden. Die Hartz-Gesetze gehören abgeschafft. Diese Anträge werden wir so schnell wie möglich im Bundestag zur Abstimmung stellen.

CDU/CSU und FDP haben außerdem vereinbart, die Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Beziehende auszuweiten. Was bedeutet dies für erwerbslose Menschen, was für diejenigen, die noch Arbeit haben?

Was auf den ersten Blick sehr sozial aussieht, stellt sich beim zweiten Hinsehen als weiterer Jobvernichter heraus: Da es für Arbeitgeber günstiger ist, Lohnaufstocker zu beschäftigen, als Vollzeitjobs zu besetzen, werden durch diese Neuregelung viele Vollzeitjobs vernichtet. Wenn die neue Regierung das als sozial verkauft, dann kann man sich ausmalen, was in den nächsten vier Jahren noch alles auf uns zukommen wird. Wir werden uns dagegen zur Wehr setzen und aufzeigen, was die wahren Folgen solch einer Politik sind.

Die zukünftigen Regierungsparteien wollen die Steuern senken. Um diese Steuersenkungen zu finanzieren, wollen sie neue Schulden aufnehmen. Wer profitiert davon, wer nicht?

Die Steuersenkungen gehen vor allem zu Lasten der Haushalte von Ländern und Kommunen. Da diese sowieso schon fast bankrott sind, werden sie ihre sozialen und kulturellen Leistungen weiter kürzen und auf Investitionen, auch in der Bildung, verzichten müssen. Das bedeutet, dass der soziale Abbau in Ländern und Gemeinden von Kanzlerin Merkel (CDU) und Vizekanzler Westerwelle (FDP) erzwungen wird, während die Herrschaften sich scheinbar sozial und bildungspolitisch engagiert geben. Die Konzerne werden noch einmal üppig mit Steuergeschenken - zu Lasten von Ländern und Kommunen und damit der Bevölkerung. Frau Merkel ist eiskalt, gerissen und zynisch.

CDU/CSU und FDP haben angekündigt, die Pflegeversicherung radikal zu verändern. Künftig sollen alle Versicherten verpflichtet werden, privat für die Pflege vorzusorgen. Was kommt auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu?

Die schwarz-gelbe Regierung beginnt, die sogenannten Arbeitgeber vollkommen aus der Verantwortung zu entlassen. Wenn der Arbeitgeber nicht mehr in die Pflegeversicherung einzahlt, muss diesen Betrag der Arbeitnehmer aufbringen. Für ihn ist das eine klare Lohnkürzung. Das ist eine neue Qualität der Umverteilung von unten nach oben. Mit dieser Entscheidung entfernt sich Kanzlerin Merkel nicht nur von ihren eigenen Wurzeln, schließlich führte die paritätische Pflegeversicherung der ehemalige CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm ein. Sie lässt außerdem jeden fürchten, was noch nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen auf die Bürgerinnen und Bürger zukommen wird. Es ist an den Gewerkschaften, den Sozialverbänden und uns, gegen diese Sozialkürzungen mobil zu machen.

Enthält der Koalitionsvertrag Ihrer Meinung nach überhaupt ansatzweise richtige Antworten auf die aktuelle Wirtschaftskrise?

Das Problem besteht darin, dass die neue Regierung die alte Philosophie von Schröder (SPD), Fischer (Grüne) und der vorherigen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD weiterverfolgt: Die Wirtschaft muss auf Kosten der Beschäftigten entlastet werden. Die Aufkündigung der paritätischen Pflegeversicherung und das Verweigern eines flächendeckenden Mindestlohnes gehen zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nur durch die Stärkung der Binnennachfrage, in dem man die Kaufkraft der Bevölkerung unterstützt, kann man mit einem blauen Auge aus der Krise kommen. Dafür werden wir uns in nächsten vier Jahren mit aller Kraft einsetzen.

Wie wollen Sie in den nächsten Monaten Druck auf die Bundesregierung ausüben, damit sie sich eines besseren besinnt?

Wie schon angekündigt, werden wir mit außerparlamentarischen Verbänden, Organisationen, Initiativen und Gewerkschaften zusammen arbeiten und zusammen kämpfen, um die neoliberalen Pläne von CDU/CSU und FDP zu verhindern. Die Bevölkerung darf sich nicht in ihr Schicksal ergeben, sondern muss sich politisch engagieren, um denen da oben zu zeigen, dass sie sich nicht alles gefallen lässt. Als einzig wirklich glaubhafte Oppositionspartei stellen wir uns der Aufgabe, wieder Vertrauen in die Demokratie aufzubauen und die soziale Verteidigung in Deutschland zu organisieren. Die anderen Parteien im Bundestag haben die Bürgerinnen und Bürger zu lange verraten und an Lobbyisten und Unternehmen verkauft, als dass sie jetzt noch Glaubwürdigkeit beanspruchen könnte.

www.linksfraktion.de, 27. Oktober 2009