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Fähnchen im Wind

Kolumne von Ulla Lötzer,

Ulla Lötzer, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Mit den angekündigten Enthaltungen hat die LINKE in NRW die Wahl von Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin einer Minderheitsregierung von SPD und Grünen in NRW möglich gemacht. Vergleicht man den Koalitionsvertrag mit der Politik von Rot-Grün noch als Landesregierung, bleibt zunächst festzustellen, dass die Politik der LINKEN in Bund, Land und Kommunen Wirkung zeigt.
Der Koalitionsvertrag enthält konkrete Ansätze zu einem Politikwechsel, der mit vielen Forderungen der LINKEN vereinbar ist. Das gilt für das Sozialticket, die Wiederherstellung der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, oder die Energiepolitik. Sie machen schwarz-gelb in vielen Punkten rückgängig.

Viele wichtige Themen werden allerdings nur zögerlich mit Absichtserklärungen angegangen. Das gilt für die Bildung, die Studiengebühren oder der Unterstützung der Arbeitslosenzentren. In diesen Fragen wird mehr als deutlich, dass Frau Kraft nach wie vor die FDP locken will, sich aus Angst vor dem Untergang in die Regierung zu retten. Sie will den Bremser des Politikwechsels an Bord, nicht die LINKE, die den Politikwechsel konsequent beschleunigen will. Das gilt erst recht, wenn sie die Entschuldung der Kommunen mit Kürzungsforderungen in den Städten verbinden.
Und nicht zuletzt fehlen viele wichtige Felder eines Politikwechsels völlig. Das betrifft insbesondere die Fragen von Beschäftigung und Wirtschaftsdemokratisierung in der Industrie. Überall da, wo sie sich mit Konzernen anlegen müssten, bleibt der Koalitionsvertrag stumm.

Ihre Janusköpfigkeit macht die Rot-Grüne Koalition bis ins Kabinett deutlich. Mit dem Finanzminister wurde jemand ins Kabinett berufen, der als erster von Rot-Rot-Grün in Köln zum Dezernenten gewählt wurde, mit dem Wirtschaftsminister ein Vertreter des Landschaftsverbandes Rheinland, der von einer Ampel-Koalition kontrolliert wird.

Insofern steht die LINKE vor einer großen Herausforderung, den Politikwechsel durch konstruktive Opposition zu ermöglichen und zu beschleunigen, mit Maßnahmen zu untersetzen, wo Rot-Grün bei Absichtserklärungen bleibt und mit eigenen Initiativen zu ergänzen, wo Rot-Grün steckengeblieben ist. Wir werden alle Schritte ablehnen, die mit Sozial- oder Personalabbau im Land oder den Kommunen verbunden wären.
Bei einem ersten Ratschlag der LINKEN mit Gewerkschaftern, VertreterInnen von ökologischen und sozialen Bewegungen im Landtag wurde sehr deutlich, dass diese konstruktive Opposition mit ihnen gemeinsam innerhalb und außerhalb des Parlaments möglich sein wird.

Diese Entwicklungen bieten für die Bundespolitik Chancen. Die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat ist gekippt. Es kann gelingen, Maßnahmen des Kürzungspakets auf Bundesebene genauso zu verhindern, wie die längere Laufzeit von Atomkraftwerken.
Darüber hinaus gibt es Versprechungen der rot-grünen NRW-Regierung für Bundesratsinitiativen: für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, gegen Lohndumping, für einen gesetzlichen Mindestlohn, und einige andere mehr.

Ob daraus mehr als Fähnchen im Wind werden, hängt auch im Bund davon ab, ob SPD und Grüne jenseits aller Gauckeleien in der Lage sind, im Bundestag dafür gemeinsame Oppositionspolitik mit der LINKEN zu betreiben, oder ob sie sich auf Mauscheleien mit Merkel und Westerwelle im Bundesrat einlassen. Die LINKE wird jedenfalls alle Initiativen auch im Bundestag aufgreifen, die soziale und ökologische Interessen voranbringen.

Im nächsten Jahr sind viele Landtagswahlen. Von Rheinland-Pfalz bis Sachsen-Anhalt werden viele Wählerinnen und Wähler entscheiden, ob die Chancen in NRW und im Bund für einen Politikwechsel und gegen die soziale Kahlschlagspolitik der Bundesregierung genutzt werden. Politikwechsel geht nur mit der LINKEN. SPD und Grüne müssen sich entscheiden, ob sie dies wollen, oder die Hoffnung darauf erneut zerstören - in NRW und im Bund.