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Export-Junkie D braucht höhere Löhne

Im Wortlaut von Michael Schlecht,

 

Von Michael Schlecht, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Börsenkurse brechen ein, Finanzspekulanten rund um den Globus treiben die Notierungen für Aktien, Rohstoffen und Währungen nach unten. Solide Gründe dafür lassen sich eher schwer finden. Anlässe gibt es aber schon. Vor allem einen: Chinas Wirtschaftswachstum ist möglicherweise schwächer als bislang erwartet. Dass deswegen auch um die deutsche Konjunktur gefürchtet wird, zeigt das verfehlte Wirtschaftsmodell Deutschlands.

Der Deutsche Aktienindex ist in den letzten Wochen stark gefallen, derzeit liegt er 20 Prozent unter seinem April-Hoch. Acht Billionen Dollar an Aktienvermögen haben sich weltweit in Luft aufgelöst – 8000 Milliarden einfach weg. Die 400 reichsten Weltbürger sollen um 160 Milliarden Euro ärmer geworden sein – binnen einer Woche. Wie traurig.

Dass eine schwache Konjunktur in China und anderen Schwellenländern eine Gefahr für die hiesige Wirtschaft ist, zeigt die absurde Exportabhängigkeit Deutschlands. Im zweiten Quartal 2015 wurde das deutsche Wirtschaftswachstum allein vom gewachsenen Exportüberschuss um 0,7 Prozentpunkte getragen. Ohne diesen Effekt gäbe es ein Minus von 0,3 Prozent. Nachdem der Effekt durch den Mindestlohn aus dem ersten Quartal vorüber ist, fällt der Konsum wieder zurück. Und der Staat ist weiterhin bei öffentlichen Aufträgen extrem knauserig, obwohl die Steuereinnahmen sprudeln.

Auch hierzulande droht böses Erwachen

Dringend notwendig ist endlich ein deutlicher und längerfristiger Anstieg der Binnennachfrage – durch deutlich höhere Löhne und mehr öffentliche Investitionen in Infrastruktur und Dienstleistungen. Sonst droht bei einem wirklichen Crash der Weltwirtschaft auch hierzulande das böse Erwachen.

Es kommt hinzu, dass der Außenhandelsüberschuss Deutschlands sich seit 2000 auf rund zwei Billionen Euro summiert. Im laufenden Jahr wird Deutschland einen Leistungsbilanzüberschuss – Außenhandelsüberschuss plus Transferzahlungen – erzielen, der acht Prozent (!) der Wirtschaftsleistung beträgt. Exportweltmeister China erreicht nicht halb so viel.

Für die Stabilität der Weltwirtschaft ist ein beständig wachsender Exportüberschuss Deutschlands brandgefährlich. Er muss sinken, um die Stabilität der europäischen und der globalen Wirtschaft zu erhalten. Denn deutsche Überschüsse führen zu Defiziten und wachsenden Schulden in anderen Ländern. Sinkende deutsche Überschüsse aber würden bedeuten: Der Außenhandel wird zur Belastung für das Wachstum. Und dagegen hilft nur stärkere Binnennachfrage, sprich: vor allem höhere Löhne.

Aber das will die Bundesregierung nicht. Sie setzt weiter auf Exportüberschüsse. Und sie hat das deutsche Modell „Lohnsenkung zur Exportsteigerung“ ganz Europa aufgedrückt.
Diese Strategie muss ein Ende haben. Die deutsche Binnennachfrage muss zu einem viel stärkeren Stabilitätsanker der wirtschaftlichen Entwicklung ausgebaut werden. Dazu brauchen wir vor allem höhere Löhne durch die Stärkung der gewerkschaftlichen Durchsetzungsmacht. Ein Verbot des Missbrauchs von Leiharbeit und von Werkverträgen sowie die Beschränkung von Befristungen auf wenige sachgrundbezogene Ausnahmen wären hierzu erste wichtige Schritte.

Die aktuellen Börsenturbulenzen zeigen aber auch: Die Produktion von Waren und Dienstleistungen weltweit, also die globale Konjunktur, ist extrem abhängig von den liberalisierten Finanzmärkten geworden. Ein paar schlechte Daten, ein paar enttäuschte Erwartungen und schon rennt die von Regeln und Beschränkungen befreite Spekulantenherde in eine Richtung, flieht in einige Länder, lässt Ölpreise und Währungen fallen wie heiße Kartoffeln.

Die Folgen bleiben nicht auf die Börse beschränkt, sondern bringen die Kalkulationen von Unternehmen und Verbrauchern in der ganzen Welt durcheinander. Das eigentliche Risiko ist derzeit nicht allein die chinesische Wirtschaft, vielmehr dass die Spekulation zu einer Finanzkrise in den Schwellenländern führt. Oder anders gesagt: Die Spekulanten reagieren nicht auf eine Krise, sie führen sie herbei. Gäbe es heute noch in Europa die nationalen Währungen, dann wären sie Spielbälle in den Händen der Zocker. 

linksfraktion.de, 26. August 2015