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»Es gibt für mich weder eine religiöse, noch eine politische Begründung für Mord.«

Im Wortlaut von Petra Pau,

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (DIE LINKE.) beurteilt die gestrige ARD-Sendung mit Michael Buback und Ex-Terrorist Boock skeptisch. Im Südwestrundfunk (SWR) sagte Pau, zur eigentlichen Aufklärung möglicher Ungereimtheiten in Sachen RAF seien "Fernsehdebatten natürlich nicht geeignet" , wie professionell auch immer sie gestaltet würden. Medien und Öffentlichkeit müßten sich fragen, wie weit sie "verurteilten Verbrechern eine Bühne bieten". Zugleich nahm Pau das Engagement des Sohnes des ermordeten Generalbundesanwalts in Schutz. Beeindruckend sei, wie Buback trotz des Leids, was ihm widerfahren sei, versuche, "sich in gesellschaftliche Debatten einzumischen", sagte die Linkspolitikerin. Buback habe wie alle Angehörigen der Terroropfer das Recht, "seinen Weg der Verarbeitung zu finden und des Umgangs damit".

Wortlaut des Live-Gesprächs

Rudolf Geissler: Das Fernsehgespräch gestern Abend zwischen dem Ex-Terroristen Boock und dem Sohn des ermordeten Generalbundesanwaltes Buback hatte im Vorfeld Bedenken hervorgerufen, so ein Treffen könne die Maßstäbe in der Beurteilung der RAF verrücken, könne also auf Nachsicht gegenüber den Tätern hinauslaufen, statt die angemessene Opferperspektive beizubehalten. Wie hat die Sendung auf Sie gewirkt?

Petra Pau: Also diese Befürchtungen haben sich zumindest bei mir nicht bestätigt. Das, was die RAF getan hat, war schwerste Kriminalität, war Mord. Und ich denke, die Beurteilung wird sich an dieser Stelle auch nicht verändern. Ich gebe zu, ich hatte auch so meine Bedenken, andererseits sowohl Herr Buback als auch natürlich die verantwortlichen Redakteure müssen wissen, was sie mit einer solchen Veranstaltung erreichen wollen. Mein Eindruck war, dass es hier auch darum geht, nach den vielen Jahren und vielen Emotionen eine gewisse Sachlichkeit hineinzubringen, um dann auch eine faire Beurteilung dieser Vorgänge hinzubekommen.

Rudolf Geissler: Für wie glaubwürdig halten Sie den Ex-Terroristen Boock. Immerhin hat er sich erst an den „Spiegel“ gewandt, dann jetzt übers Fernsehen. Die Bundesanwaltschaft wartet immer noch auf ihn. Und der frühere BKA-Chef Zachert hat ja gestern sogar vermutet, dass die RAF Ehemaligen die derzeitige öffentliche Diskussion geradezu lenken?

Petra Pau: Also, ich glaube, das ist zu viel der Ehre, dass sie hier in der Lage sind, die Diskussion zu lenken. Aber natürlich müssen wir, die Öffentlichkeit und natürlich auch die Medien uns fragen, wie weit wir auch verurteilten Verbrechern eine Bühne bieten. Ich würde es gut finden - und die Generalbundesanwältin hat ja das Verfahren auch eröffnet - wenn die zuständigen Behörden jetzt möglichst schnell sowohl Hinweisen als auch Aussagen nachgehen und der Öffentlichkeit - die ein Recht darauf hat zu erfahren, was dort war - dann ausführlich Auskunft gibt dazu. Weil, das steht fest, egal wie professionell sie gemacht werden, sind Fernsehdebatten natürlich nicht geeignet.

Rudolf Geissler: Der Vorwurf, der Herrn Buback gemacht wurde in den letzten Tagen lautet, er gehe an die Frage der Begnadigung von Christian Klar sozusagen zu subjektivistisch ran, für ihn sei das maßgebliche Kriterium die Frage, wer persönlich seinen Vater erschossen hat, wo doch Mittäterschaft die gleiche harte Strafe nach sich zieht. Besteht nicht tatsächlich die Gefahr, dass in Bubacks Perspektive die anderen Verbrechen in der öffentlichen Diskussion auch durch solche Sendungen ausgeblendet bleiben?

Petra Pau: Also diese Gefahr besteht natürlich immer. Herr Buback hat genau wie alle anderen Angehörigen das Recht natürlich für sich, seinen Weg der Verarbeitung zu finden und des Umgangs damit. Aus gutem Grund ist es in unserer Rechtsordnung üblich, dass weder Opfer noch Angehörige von Opfern Recht sprechen beziehungsweise auch Strafen aussprechen. Und das gilt natürlich genau so für die Frage, inwieweit jemandem ein Gnadenerweis gegeben wird. Das heißt, das, was das heute im Moment öffentlich stattfindet, ist für mich alles menschlich verständlich. Aber zum Schluss entscheidet natürlich nicht Herr Buback darüber, ob zum Beispiel Christian Klar vorzeitig aus der Haft entlassen wird oder welche Dinge ansonsten geschehen.

Rudolf Geissler: Streckenweise schien Herr Buback gestern Abend in dieser Sendung mehr mit dem Verfassungsschutz und den Sicherheitsbehörden zu hadern - er sagt ja, ich bin fassungslos - mehr also mit der Tatsache, dass Zeugenaussagen in den Akten fehlen könnten, als mit dem Mord selbst. Halten Sie das für angemessen?

Petra Pau: Es steht mir wirklich nicht zu, zum Verhalten von Herrn Buback zu sprechen. Ich habe ihn vor fünf Jahren anlässlich einer Trauergedenkfeier der Ereignisse von damals kurz kennen gelernt und in der vergangenen Woche einmal kurz gesprochen. Und für mich war beeindruckend, wie er insgesamt mit dem Schicksal seines Vaters und seiner Familie umging und dass er trotz all dem, was er an Leid erfahren hat, auch versucht, sich in gesellschaftliche Debatten einzumischen. Letztendlich, das steht fest, sollten wir die Aufarbeitung dieser Geschichte nicht allein auf die Talkshow beschränken. Vielleicht ist es dann auch eine Frage, wen lädt man ein, welche Bühne bietet man wem jetzt im Moment.

Rudolf Geissler: Bislang ist die Ausbeute - weil Sie gerade Aufarbeitung sagen - der jüngsten Debatte, auch der Enthüllungen, der tatsächlichen oder vermeintlichen, relativ gering. Da wird es jetzt ein Ermittlungsverfahren wegen Anfangsverdachts geben, da werden noch mal Akten gewälzt. Aber die meisten Verantwortlichen von damals sind längst pensioniert und selbst Herr Neskovic, der Vertreter Ihrer Fraktion im parlamentarischen Kontrollgremium, hat gestern für einen Oppositionspolitiker sehr differenziert die Behörden schon gegen Vorwürfe teilweise in Schutz genommen. Was außer mehr geschichtlicher Klarheit ist denn zu erwarten von dem, was jetzt an Nachforschungen beginnt?

Petra Pau: Also, da ich nicht Mitglied des parlamentarischen Kontrollgremiums bin, und die Mitglieder dieses geheim tagenden Gremiums alle ihre Erkenntnisse sozusagen für sich behalten müssen und das nicht mal den Fraktionsvorsitzenden mitteilen dürfen, kann ich also auch die Grundlage, auf der Herr Neskovic zu diesen Aussagen gekommen, nicht beurteilen. Sollte es tatsächlich Unterlassungen gegeben haben, dann hoffe ich, dass diese aufgeklärt werden. Einfach auch, um immer wieder das Vertrauen in den Rechtsstaat herzustellen. Das ändert aber nichts, das haben Sie aber auch schon gesagt, an der Verurteilung für schwerste kriminelle Straftaten. Es gibt für mich weder eine religiöse, noch eine politische Begründung für Mord. Das sollte auch deutlich sein. Und damit sollte man dann auch mit Verbrechern umgehen, wie es die Rechtsordnung vorschreibt, und darf nicht irgendwo eine Möglichkeit lassen, dass jemand vermutet, man wäre mit ihnen anders umgegangen, weil sie eben die waren, die sie waren.

SWR 2, 26. April 2007