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»ErzieherInnen brauchen unsere Solidarität«

Interview der Woche von Jutta Krellmann, Norbert Müller,

 

Die Gewerkschaften ver.di und GEW verhandeln mit dem Verband der kommunalen Arbeitgeber über bessere Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen von ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen. Während der Tarifauseinandersetzungen kommt es derzeit bundesweit zu Warnstreiks. Jutta Krellmann,gewerkschaftspolitische Sprecherin, und Norbert Müller, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Fraktion, erörtern im Interview der Woche, worum es bei der Aufwertung von Sozial- und Erziehungsberufen geht.

Zurzeit laufen die Warnstreiks der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder auf Hochtouren. Und gestern fand die zweite Verhandlungsrunde zur Aufwertung von Sozial- und Erziehungsdiensten statt. Hängen diese beiden Tarifrunden zusammen? Jutta Krellmann: Nein, das sind verschiedene Paar Schuhe. Bei den aktuellen Verhandlungen im öffentlichen Dienst sind die Länder der Arbeitgeber, in der Aufwertungsrunde Sozial- und Erziehungsdienste ist es der Verband der kommunalen Arbeitgeber, der mit den Gewerkschaften Verdi und GEW an einem Tisch sitzt und über deren Forderung nach einer höheren Eingruppierung der sozialen Berufe verhandelt. Was bedeutet es konkret, wenn wir von Aufwertung der sozialen Berufe sprechen? Jutta Krellmann: Die Erwartung an die Arbeit der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsbereich ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Gerade hier werden die Weichen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gestellt. Die aktuelle Höhe der Entlohnung für diese anspruchsvolle Aufgabe steht in keinem Verhältnis dazu. Deshalb müssen die sozialen Berufe im Vergleich zu heute aufgewertet werden. Das kann ganz konkret mit einer höheren Eingruppierung beziehungsweise der Neuregelung der Eingruppierungsvorschriften und der Tätigkeitsmerkmale erreicht werden. In vielen Kommunen scheitert der Ausbau der Kita- und Ganztagsbetreuung an fehlenden Erzieherinnen und Erziehern. Weshalb ergreifen so wenige Menschen diesen Beruf?  Norbert Müller: Der ErzieherInnenberuf ist traditionell nicht besonders gut entlohnt. Es ist kaum möglich, davon den Lebensunterhalt einer Familie zu bestreiten, daher war es insbesondere in den alten Bundesländern ein Zuverdienst. Damit war auch das Ansehen oftmals nicht besonders hoch und es wurde gar von ErzieherInnen als PädagogInnen zweiter Klasse gesprochen. Mit dem Paradigmenwechsel, dem Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung, wandelt sich auch das Berufsbild. Nur leider hat die neue Rolle von ErzieherInnen bisher keine Aufwertung der Entlohnung oder des sozialen Status nach sich gezogen. Dies muss sich ändern! Eltern, die einen Betreuungsplatz für ihr Kind bekommen, klagen oft über zu große Gruppen und häufig wechselnde Bezugspersonen. Wie kann man dieses Problem angehen? Norbert Müller: Wir brauchen mehr Kontinuität in den Kitas. Das erfordert bessere Arbeitsbedingungen, damit die Beschäftigten nicht ständig in anderen Einrichtungen ihr Glück versuchen müssen und verunsicherte Kinder und Eltern zurücklassen. Hier sehen wir den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Kitaqualität. Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, brauchen einen besseren Personalschlüssel, Zeitbudgets für Vor- und Nachbereitung, Weiterbildung etc. Mindeststandards müssen daher gesetzlich in einem Kitaqualitätsgesetz verankert werden. Die Arbeit muss ordentlich entlohnt werden. Die laufenden Tarifauseinandersetzungen leisten dazu einen wichtigen Beitrag, damit das Berufsfeld mehr Anerkennung erhält und finanziell für die Beschäftigten attraktiv ist. Die streikenden ErzieherInnen brauchen unsere Solidarität.  Beim Ausbau der Kinderbetreuung geht es neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch um Bildung, Vermittlung von Kompetenzen und Wissen. Was muss passieren, damit Erzieherinnen und Erziehern diesen umfassenden Anforderungen gerecht werden können? Norbert Müller: Alleine mit dem Besuch einer Kita beginnt ein permanenter Lernprozess, der pädagogisch mit vielfältigen Methoden unterstützt wird. Damit sind wir wieder bei der Qualität angelangt: Wie groß sind die Gruppen, wie viele Kinder müssen sich eine Erzieherin, einen Erzieher teilen, sind die Räume kindgerecht und fördern die Kreativität, welche Erfahrungen und Qualifikation bringen die MitarbeiterInnen mit, welche Konzepte haben die Einrichtungen, um die Kinder darüber hinaus zu fördern? Wir drehen uns im Kreis: Wir müssen die materiellen Grundlagen der Kitas stärken, die Arbeitsbedingungen und Ausbildung verbessern, Weiterbildungsangebote ausbauen und die Entlohnung deutlich erhöhen. Wir brauchen ein Kitaqualitätsgesetz und eine bessere finanzielle Ausstattung durch den Bund, damit ErzieherInnen diese umfassenden Anforderungen erfüllen können. Wenn Erzieherinnen und Erzieher, Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen während der Tarifauseinandersetzung streiken, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, sehen Eltern das mindestens mit gemischten Gefühlen, oftmals mit Wut. Was sagen Sie denen, die während der Streiks selbst in Bedrängnis geraten, weil ihr Kind nicht betreut werden kann?

Jutta Krellmann: Ich kann verstehen, wenn gerade Eltern nicht sehr glücklich über die Betreuungslücke sind, die durch die laufenden Warnstreiks entstehen. Auch sie sind schließlich auf eine funktionierende soziale Infrastruktur angewiesen. Doch genau deswegen haben viele Eltern Verständnis für die Forderungen der Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste und zeigen auch ihre Solidarität. Denn sie wissen aus eigener Erfahrung, welche schwierige und unverzichtbare Arbeit diese Leute leisten und dass die Menschen, die diese Arbeit ausführen, auch ein besseres Einkommen verdienen.

 

linksfraktion.de, 25. März 2015