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Entwicklungspolitik mit falscher Richtung

Im Wortlaut von Eva-Maria Schreiber, Frankfurter Rundschau,

Demokratie und Menschenrechte sind für die Regierung bei der Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten nicht mehr wichtig. Gastbeitrag von Eva-Maria Schreiber in der Frankfurter Rundschau

 

Leinen los, auf nach Afrika!“ – In bester Seefahrermanier rief Entwicklungsminister Gerd Müller im Juni eine neue Initiative ins Leben, den sogenannten Entwicklungsinvestitionsfonds. Es gebe noch so viel zu entdecken für deutsche Firmen in Afrika, so der Minister, und Afrika brauche nichts dringender als Investitionen. Deshalb schaffe die Bundesregierung den neuen Fonds. Und deswegen lud Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche zum wiederholten Male zum deutsch-afrikanischen Investitionsgipfel nach Berlin.

Zwölf afrikanische Staats- und Regierungschefs trafen dort auf Spitzenmanager deutscher Unternehmen wie Siemens, Bayer oder Volkswagen. Die einen auf der Suche nach Kapital, die anderen auf der Suche nach neuen Märkten.

Geschäfte zwischen diesen beiden Seiten anzubahnen, das ist die neue Königsklasse der deutschen Entwicklungs- und Afrikapolitik seit der G20-Präsidentschaft 2017. Damals gründete Finanzminister Wolfgang Schäuble mit Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) den Compact with Africa.

Die Grundidee ist simpel: Es gibt weltweit so viel Kapital, das nach lukrativen Anlagemöglichkeiten sucht. Wenn es uns gelingt, dieses Kapital nach Afrika zu locken, haben wir die zentralen Entwicklungsprobleme des Kontinents – fehlende Infrastruktur und Jobs – gelöst. Die Aufgabe der Politik beschränkt sich nach dieser Auffassung darauf, dem Kapital gute Anlagebedingungen in Afrika zu schaffen. Genau dieser Aufgabe hat sich das Entwicklungsministerium mit großem Eifer verschrieben. Einerseits ist es mit sechs der bisherigen zwölf afrikanischen Compact-Länder sogenannte Reformpartnerschaften eingegangen. Ziel ist es, diese Länder durch weitreichende Reformen ihrer Wirtschafts-, Finanz- und Fiskalpolitik zu investorfreundlichen Regimen umzubauen. Kritiker monieren, dass diese Reformen den Strukturanpassungsprogrammen der 80er und 90er Jahre gleichen, die die soziale Infrastruktur in vielen Ländern des globalen Südens zerstört hat. Andererseits nimmt Minister Müller so viel Geld aus dem Entwicklungsetat wie nie zu vor in die Hand, um die Risiken von Unternehmen und Investoren in Afrika abzusichern. Hier kommt der „Entwicklungsinvestitionsfonds“ ins Spiel, der aus den Komponenten „Africa Connect“ und „Africa Grow“ besteht.

Africa Connect ist in der Steueroase Mauritius angesiedelt und soll lukrative Darlehen an deutsche und andere europäische Unternehmen vergeben, die in Afrika investieren. Africa Grow wiederum soll Geld von Privatinvestoren sammeln, um diese in afrikanische Fonds und Unternehmen zu stecken.

Der Deal dabei: Im Fall von Verlusten springt als Erste die Bundesregierung ein, die neben der Allianz-Versicherung der Hauptgeldgeber des Fonds ist. Politik als Absicherung der Renditeerwartungen der Investoren – Willkommen in der Entwicklungszusammenarbeit des 21. Jahrhunderts.

Klar ist: Die Bundesregierung hinkt den eigenen Ansprüchen bei der Neuausrichtung ihrer Entwicklungs- und Afrikapolitik hinterher. Kanzlerin Merkel hat eine Milliarde Euro für den Entwicklungsinvestitionsfonds versprochen, aus dem Entwicklungsetat fließt bisher aber nicht einmal ein Drittel des Geldes. Kein einziger Cent davon ist in reale Investitionsprojekte geflossen. Beim Gipfel diese Woche hatte die Bundesregierung sichtlich Schwierigkeiten, überhaupt neue Investitionsprojekte zwischen afrikanischen Compact-Ländern und deutschen Unternehmen zu präsentieren.

Klar ist jedoch auch: Minister Müller baut das Entwicklungsministerium sukzessive zu einer Außenhandelskammer der deutschen Privatwirtschaft um. Die Durchführungsorganisationen KfW, DEG oder GIZ, die deutsche Unternehmen nach Afrika begleiten, fokussieren dabei mehr auf die wirtschaftlichen Interessen deutscher Unternehmen als auf die entwicklungspolitischen Anliegen der lokalen Bevölkerung.

Diese Kritik haben auch Vertreterinnen und Vertreter der afrikanischen Zivilgesellschaft geäußert, die auf Einladung von Brot für die Welt in Berlin über den Compact with Africa diskutierten. Beim Investitionsgipfel selbst konnten sie diese Kritik nicht anbringen. Ihnen blieb der Zutritt verwehrt.

Der ägyptische Diktator Abdel Fattah al-Sisi, der in seinem Land ein Terrorregime errichtet hat, durfte beim Gipfel eine Grundsatzrede halten. Die Regierung setzt damit ein fatales Zeichen: Demokratie und Menschenrechte sind keine wichtigen Kriterien für Zusammenarbeit mehr, solange das Investitionsklima stimmt. Die deutsche Entwicklungspolitik steuert derzeit in eine falsche, ja gefährliche Richtung.

Frankfurter Rundschau,