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Energiewende sozial: Bezahlbarer Strom ohne Atom

Interview der Woche von Caren Lay,

Caren Lay, verbraucherpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über eine Politik für bezahlbare Strompreise

Das Bundeskartellamt hat zu Monatsbeginn vorhergesagt, dass die Strompreise als Folge des Atomausstiegs steigen. Welche Entwicklung erwarten Sie?

Caren Lay: Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass die Macht der Stromkonzerne durch die Energiewende zunächst weiter zunimmt. Dabei sind schon jetzt rund 85 Prozent der deutschen Stromversorgung in der Hand der vier Stromriesen: E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. Sie diktieren die Preise, während die Bundesregierung tatenlos zusieht. Die Gewinne der Stromriesen haben sich in weniger als zehn Jahren versiebenfacht. Wir sagen: Steigende Preise sind kein Naturgesetz. Es muss endlich politisch gehandelt werden, damit die Stromkonzerne die Kosten der Energiewende nicht auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abwälzen.

Die Strompreise haben sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Was läuft falsch am deutschen Strommarkt?

Mit der Liberalisierung des Strommarktes 1998 hat die Marktmacht hinter der Steckdose maßlos zugenommen. Vor vier Jahren hat die Große Koalition auch noch die staatliche Preisaufsicht abgeschafft. Danach sind die Preise noch rasanter in die Höhe geschnellt. Die Energiewende ist ökologisch wie gesellschaftlich eine Chance, aber nur wenn wir sie sozial gestalten. Atomstrom ist der teuerste Strom, rechnet man die enormen Kosten für Sicherheit und Entsorgung und die Subventionen hinzu. Je schneller die Energiewende kommt, desto besser – in jeder Hinsicht.

Alle, die mit geringen Einkommen auskommen müssen, treffen überhöhte Strompreise besonders hart. Wie kann die Energiewende sozial gestaltet werden?

Erstens brauchen wir wieder eine staatliche Preisaufsicht. Selbstverständlich sollte diese auch einen Verbraucherbeirat haben. Bis die staatliche Preisaufsicht arbeitsfähig ist, muss ein Strompreis-Moratorium neuerliche Preiserhöhungen ausschließen. Zweitens brauchen wir Sozialtarife für einkommensschwache Haushalte, die tatsächlich eine finanzielle Entlastung darstellen. Und drittens darf niemandem wegen Zahlungsschwierigkeiten der Strom abgestellt werden. Energieversorgung ist ein existenzielles Grundrecht!

Wie funktionieren Sozialtarife für Strompreise? 

Belgien und Frankreich haben erfolgreiche Modelle eingeführt. Zum einen entfällt für einkommensschwache Haushalte die Grundgebühr. Zum anderen gibt es eine Freimenge. Erst wenn die überschritten ist, wird es teurer. Das ist ökologisch und sozial sinnvoll. Darüber hinaus kann ein Fonds unterschiedliche Kundenstrukturen zwischen den Stromunternehmen finanziell ausgleichen.

Was unterscheidet LINKE Strompreispolitik von der anderer Parteien?

Wir stellen die soziale Frage. Denn es reicht nicht, nur energieintensive Unternehmen von Extrakosten zu entlasten und das Privatkundengeschäft dem freien Markt zu überlassen. Deshalb fordern wir einen Schutzschirm für Verbraucherinnen und Verbraucher. Auch DIE LINKE hat immer wieder Vorschläge zur Energieeffizienz gemacht. Zum Beispiel wollen wir das je energieeffizienteste Produkt alle drei Jahre als Mindeststandard festschreiben. Zugleich sagen wir: Einkommensschwache Haushalte können die überhöhten Preise durch Einsparungen nicht auffangen. Ebenso bleibt der von anderen Parteien gern genannte Anbieterwechsel ärmeren Haushalten oft versperrt, da er an die Kundenbonität gebunden ist.

Worum wird es auf der Podiumsdiskussion "Energiewende sozial: Bezahlbarer Strom ohne Atom" der Fraktion DIE LINKE genau gehen? 

Gegenwärtig werden die Weichen für eine Energiewende gestellt. Wir werden mit Fachleuten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik die soziale Frage diskutieren: Wie gelingt eine Energiewende, ohne dass wieder nur die Stromkonzerne profitieren? Alle sind herzlich eingeladen!

linksfraktion.de, 20. Juni 2010