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Eine Niederlage feiern?

Im Wortlaut,

Luc Jochimsen & Genossen laden zum »Fest für Allende«

ND: DIE LINKE im Bundestag richtet ein »Fest für Allende« aus. Wie vielen Menschen in der deutschen Hauptstadt, wie vielen in der Republik sagt der Name noch etwas?

Jochimsen: Ich hoffe, dass es noch Abertausende sind. Und dass einige Hundert zu unserem Fest in die Berliner »WABE« kommen werden.

 

Was verbinden Sie mit dem Namen Allende?

Für mich hat es immer zwei große Namen aus Latein- und Südamerika gegeben. Der eine war Che Guevara, der Revolutionär, der andere Allende, der Parlamentarier und Präsident. Allende hat es als erster geschafft, über Wahlen eine sozialistische Regierung an die Macht zu bringen.

 

Können Sie sich dies auch in der Bundesrepublik vorstellen?

Ja natürlich, sonst würde ich mich ja nicht für die LINKE engagieren. Allende sagte im Mai 1971 vor den Kongress-Abgeordneten: »27 Jahre habe ich hier als Parlamentarier der Opposition gearbeitet. Und jetzt stehe ich hier als gewählter Präsident.« Man muss mitunter einen langen Atem haben. In einem Land sind es 27 Jahre, im anderen vielleicht 100.

 

Sie sind Parlamentarierin seit ...

... seit 2005. Aber engagiert für linke Ideen und linke Politik habe ich mich mein Leben lang.

 

Was findet sich von Allendes Programm im Programm der deutschen LINKEN?

Das Grundsätzliche. Es findet sich schon in unserer Präambel. Es geht um die Hoffnung, eine Welt aufzubauen, die die Teilung in Arme und Reiche überwindet. Das war Allendes Grundsatz. Der ist noch aktuell. Wir erstreben einen Sozialismus über Volksabstimmung und Parteienwettbewerb.

 

In Allendes Chile haben Arbeiterräte die Betriebe übernommen.

Verschiedene Zeiten verlangen verschiedene Antworten. Vielleicht nennt man das heute Runde Tische. Vielleicht ist das, was sich jetzt zum Beispiel in Stuttgart tut, dem ähnlich. Vielleicht gelingt es uns, in Zusammenarbeit von außerparlamentarischen und parlamentarischen Gruppierungen zu mehr Gerechtigkeit und mehr Demokratie zu gelangen. Warum soll das nicht möglich sein?

 

Allende und Genossen erlitten eine heroische Niederlage. Kann man eine solche feiern?

Wir feiern nicht die Niederlage, sondern den Anfang. Den gilt es wiederzuentdecken. Voriges Jahr haben wir in Weimar der Geburt der Weimarer Republik, der ersten deutschen Demokratie, gedacht. Wir sollten nicht immer nur vom tragischen, schrecklichen Ende her denken, sondern an das, was anfangs gewollt war. So sollten wir es auch mit der DDR halten.

 

Würden Sie die DDR feiern?

Den Anfang der DDR würde ich feiern. Ja.

 

Und weshalb?

Als Überwindung des Faschismus und als Überwindung des Kapitalismus. Die DDR verkörperte die Hoffnung auf eine gerechte Gesellschaft. Ich bin in Frankfurt am Main aufgewachsen. Der Anfang nach dem Krieg war in Hessen gar nicht so sehr verschieden von dem in Ostdeutschland.

 

Auf welche kulturellen und geistigen Angebote darf man sich am Sonnabend freuen?

Auf eine szenische Lesung mit Reden von Allende und einem Interview sowie auf Gedichte von Pablo Neruda. Es locken ein lateinamerikanischer Markt und ein tolles Konzert mit Chico Trujillo.

 

Fragen: Karlen Vesper

Neues Deutschland, 2. September 2010