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»Eine misslungene Kriminalisierungsaktion«

Im Wortlaut,

Noch immer macht die sächsische Staatsanwaltschaft gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten mobil – aktuell werden circa 500 Verfahren gegen sie geführt. Heute Abend diskutieren deshalb im Grünen Salon der Volksbühne in Berlin Nicole Gohlke, MdB der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, André Hahn, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Sächsischen Landtag, und der Berliner Rechtsanwalt Johannes Eisenberg über die staatlichen Repressionen nach den Blockaden in Dresden 2010/11. Im Vorfeld sprachen wir mit Johannes Eisenberg über die Anklage gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König und darüber, wie sich Demonstrantinnen und Demonstranten bei der Blockade des Nazimarschs am 13. Februar 2012 in Dresden vor Strafverfolgung schützen können.

Sie vertreten derzeit den Stadtjugendpfarrer Lothar König aus Jena, der seit Jahren in Jena gegen Neonazis aktiv ist. Ihm wird Landfriedensbruch vorgeworfen, weil er während einer Demonstration gegen denNeonaziaufmarsch in Dresden am 19. Februar 2011 von seinem Lautsprecherwagen zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben soll. Ist der Fall beispielhaft?

  Johannes Eisenberg: Nein, sondern er ist Ausdruck einer besonderen, wenn auch aus meiner Sicht misslungenen Kriminalisierungsaktion. Dass die Beamten vor Ort das Wirken von Lothar König anders und zutreffend als nicht strafbar bewertet haben, erweist bereits der Umstand, dass sie nicht versucht haben, während des 19. 2. 2011 das Fahrzeug zu beschlagnahmen. Im Ermittlungsverfahren selbst sind die Rechte von Lothar König massiv verletzt worden. Die Akten sind unvollständig, sein Anspruch auf rechtliches Gehör wurde massiv verletzt. Von der Anklageerhebung hat er aus der Presse erfahren. Die Anklageschrift weist schwere Fehler auf. Sie wirkt über weite Strecken laienhaft geschrieben, sie behauptet Vorgänge, die es erweislich nicht gegeben hat. Ich habe bei dem Amtsgericht Dresden beantragt, die Anklage nicht zuzulassen.    Widerstand gegen Nazis führt zu Strafverfahren, während die  Neonazigruppe NSU jahrelang mordend durchs Land ziehen konnte. Wie bewerten Sie das?   Das spricht für sich.    Wie können sich Demonstrantinnen und Demonstranten bei der Blockade  des Nazimarschs am 13. Februar 2012 in Dresden vor Strafverfolgung schützen?   Möglichst intensive Film- und Tondokumentation des Geschehens durchführen und durchsetzen, falls Polizei Filmmaterial beschlagnahmt oder Filmende behindert, und keine Handys am Mann tragen. Beweissicherung von Polizeiprovokationen und -übergriffen veranlassen, zeitnahe Vernehmung von möglichen Auskunftspersonen und Zeugen durch geeignete Vernehmer wie zum Beispiel Anwälte. Anmelden von Gegenkundgebungen und Benennen von Verantwortlichen und Intermediären. Ich habe nach der Durchsicht der Artefakte der Vorwürfe gegen Lothar König allerdings ernste Zweifel, dass wir es bei Polizei und Strafverfolgern in Dresden mit rechtsstaatlich gesonnenen und durchwirkten Behörden zu tun haben. Die Wahrnehmung des Grundrechtes der Demonstrationfreiheit in Dresden scheint mir mit rechtsstaatlich nicht begründbaren Risiken für alle Teilnehmer verbunden.

linksfraktion.de, 25. Januar 2012