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Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus

Im Wortlaut von Steffen Bockhahn,

 

Steffen Bockhahn, für DIE LINKE Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, über den gestrigen Auftritt von Merkels Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator Pofalla vor dem Bundestagsausschuss, Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei CDU/CSU und SPD in Sachen Geheimdienste und zu der Frage, ob Deutschland einen Edward Snowden braucht


Leistet Kanzleramtschef Ronald Pofalla nun Beihilfe zum Mord, wie eine Zeitung am Montag auf ihrer Titelseite fragte?

Steffen Bockhahn: Richtig ist, dass der BND Handydaten auch an Staaten weitergibt, die Foltern und gezielte Tötungen durchführen. Weil das nach deutschem Recht verboten ist, schreiben sie bei der Weitergabe etwas dazu. Sie verlangen, dass die Daten nur für Dinge verwendet werden dürfen, die nach deutschem Recht erlaubt sind. Allerdings schließt selbst der BND nicht aus, dass die von ihm weitergeleiteten Daten nicht von anderen auch missbräuchlich verwendet werden. Eine indirekte Mittäterschaft lässt sich also nicht ausschließen.

Welche brauchbaren Erkenntnisgewinne hat denn Merkels Geheimdienstkoordinator den parlamentarischen Kontrolleuren am Montag tatsächlich zuteilwerden lassen?

Wir wissen jetzt vor allem, was die Regierung nicht weiß. Sie kann nicht sicher sagen, ob nur die NSA nicht in Deutschland spioniert, wie sie selbst behauptet. Wir haben keine verlässliche Auskunft darüber, ob die Unternehmen, die für die NSA arbeiten, sich auch daran gebunden fühlen. Es steht also die Frage, ob "Subunternehmer" jetzt die Drecksarbeit für die NSA machen. Wir wissen auch nicht, was mit den Daten der Deutschen passiert, wenn sie in den USA sind. Das passiert bei jeder Mail über Hotmail oder Sucheinträgen bei Google.

Pofalla sagt, die Vorwürfe der flächendeckenden Ausspähung in der Bundesrepublik seien vom Tisch.

Nur weil Herr Pofalla nicht mehr über das Thema reden will, sind ja noch nicht alle Vorwürfe vom Tisch. Selbst wenn es nicht durch die Geheimdienste selbst auf deutschem Boden passiert, bleibt die Frage, ob von außen nicht doch erheblich im deutschen Datenverkehr gespitzelt wird. Ein großer Teil der deutschen Telekommunikation läuft über Server in den USA. Dort gilt ein anderes Recht. Dort sind Deutsche Ausländer und die werden in den USA generell unter Verdacht gestellt.

Pofallas Vor-Vorgänger Steinmeier wollte aussagen, was Union und FDP aber verhindert haben. Welches Spielchen wurde da denn gespielt?

Die SPD hat immer wieder unsauber die Regierung angegriffen, die haben letzte Woche extrem unanständig Steinmeier angegriffen. Sie zitierten Dokumente, die Steinmeier nicht vorlagen. Das macht man nicht. Ihn dann nicht einmal anzuhören, damit er sich positionieren kann, ist schlicht unanständig. Ich hätte aber Steinmeier auch gern gehört. Er hat schließlich Grundlagen für die gemeinsamen Spitzeleien der Geheimdienste geschaffen. Die Union genießt diese Grundlagen heute und will daher gar nicht darüber reden. Bevor einer unbequeme Fragen stellt, blendet man das Thema lieber aus.

Nun hacken CDU, CSU und FDP einerseits und SPD und Grüne andererseits in der NSA-Affäre verbal kräftig aufeinander rum. Aber…

…eine Krähe hackt bekanntlich der anderen kein Auge aus. Und irgendwie müssen Union und SPD ja so tun, als hätten sie unterschiedliche Positionen zur Spionage durch Geheimdienste.

Wie meinen Sie das?

Die Union will massive Vorratsdatenspeicherung, Ausbau der Videoüberwachung, Erkennung der KfZ-Kennzeichen an den Mautbrücken auf den Autobahnen. CDU und CSU wollen eine Totalüberwachung. Die SPD will Vorratsdatenspeicherung, sie sagt ausdrücklich ja zu Geheimdiensten. Auch unter SPD-Regierungen wurde und werden Mitglieder der LINKEN überwacht. Da ist nicht viel Unterschied. Nur DIE LINKE ist konsequent für Freiheit statt Überwachungsstaat und somit für die Abschaffung der Geheimdienste.

Braucht Deutschland einen Edward Snowden, damit die Wahrheit hier ans Licht kommt?

So lange es Geheimdienste gibt, gibt es Intransparenz, Kungelei und Lügen. Wir brauchen im Moment vor allem eine deutlich bessere parlamentarische Kontrolle. Dazu werde ich in den kommenden Tagen konkrete Vorschläge auf den Tisch legen.

Für den Fall, dass sich in diesem Fall kein Whistleblower findet - oder bis dahin: Wie geht es bei der Aufklärung des Ausspäheskandals weiter?

Die Union hat das Thema für beendet erklärt, die SPD ist in der Defensive. Mal abwarten, wie das weitergeht. Ich finde es erschreckend, dass sich vor allem die Union und die SPD nicht zu schade sind, dieses Thema nur zu Wahlkampfzwecken zu benutzen. Echte Aufklärung verlangt Sacharbeit. Ich wäre daran sehr interessiert.

linksfraktion.de, 13. August 2013