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Eine andere Politik rechnet sich

Interview der Woche von Michael Leutert,

 

Michael Leutert, für DIE LINKE Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages, über die Schlussberatungen zum Bundeshaushalt 2015

In dieser Woche wird der Bundeshaushalt 2015 im Plenum verabschiedet. Bundesfinanzminister Schäuble feiert sich für die Schwarze Null - den ersten Haushalt seit 1969, der ohne neue Nettokreditaufnahme auskommt. Feiert DIE LINKE mit?

Michael Leutert: Dazu besteht kein Grund. Die Farbe auf der Schwarzen Null hält nicht. Herr Schäuble hat sein Ziel nur mit haushälterischen Tricks erreicht. Die Regierung verzichtet auf viele wichtige Investitionen. Notwendige Ausgaben werden aus den Rücklagen der Sozialkassen entnommen. Das ist nichts anderes als versteckte Verschuldung. Mit Hinweis auf die niedrigen Kreditzinsen hat Schäuble in letzter Sekunde die Zinsausgaben um mehr als 1,3 Milliarden Euro geringer veranschlagt, als zunächst vorgesehen. Von der EU bekommt er zudem einmalig knapp 2,2 Milliarden Euro zurück. Eine seriöse, zukunftsorientierte Haushaltspolitik sieht anders aus, zumal die schwachen Konjunkturaussichten die Wachstumsprognose im Haushalt gewagt erscheinen lassen. Zudem hat die Schwarze Null nichts mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun.

Was meinen Sie damit? Wie wirkt sich die Schwarze Null politisch und gesellschaftlich aus?

Die Schwarze Null ist das einzige Projekt, das die Bundesregierung mit diesem Haushalt verbunden hat. Sie hat ihm alles untergeordnet und damit fast vollständig auf jene politische Gestaltungsmacht verzichtet, die Politik erst ausmacht. Zwar ist der Finanzminister im letzten Augenblick den notwendigsten Forderungen seiner eigenen Ministerkollegen ein Stück entgegengekommen, doch reicht das nicht aus. Große gesellschaftliche Aufgaben wie die Überwindung der erheblichen sozialen Spaltung werden nicht angepackt. Und innovative Gedanken sucht man in diesem Haushalt vergeblich. Die Bundesregierung betreibt letztlich Zukunftsverweigerung.

Lassen sich die Folgen dieser Politik veranschaulichen?

Trotz Nachbesserungen gibt es einen Investitionsstau beim öffentlichen Verkehr, bei der Energie- und Wasserversorgung, im Gesundheitswesen, bei Bildung und Kultur. Nehmen wir das Beispiel der Sozialkassen, die zu den Verlierern dieses Bundeshaushalts gehören. Die Regierung will unter anderem durch die Kürzung des Krankenkassenzuschusses im nächsten Jahr 2,5 Milliarden Euro einsparen. Der Zuschuss dient Leistungen, die Krankenkassen für die Allgemeinheit erbringen, zum Beispiel die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern. Weil das eine öffentliche Aufgabe ist, sagen wir als LINKE, sie soll weiter aus Steuergeldern finanziert werden. Stattdessen müssen nun die Versicherten mit ihren Beiträgen dafür aufkommen.

Ihr Schwerpunkt im Haushaltsausschuss ist mit dem Auswärtigen Amt, dem Verteidigungs- und dem Entwicklungsministerium die internationale Politik. Welche Weichenstellungen lässt der Bundeshaushalt 2015 hier erkennen?

Die Etats der internationalen Ministerien bilden keine Ausnahme. Es ist bezeichnend, wenn aus dem Auswärtigen Amt, also einem Ministerium, am Ende der Haushaltsverhandlungen ein Brandbrief kommt, in dem angesichts der internationalen Lage dringend mehr Mittel für die Humanitäre und Flüchtlingshilfe gefordert werden. Die Mittel wurden zwar noch erhöht. Doch ist trotzdem schon klar, dass sie 2015 nicht reichen werden und dann kurzfristig Geld bereit gestellt werden muss. Wenn die Bundesregierung zukunftsorientierte Politik betriebe, hätte sie unseren Vorschlag eines Krisenreaktionsfonds übernommen, um schnell auf unvorhergesehene Flüchtlingskatastrophen oder andere Herausforderungen reagieren zu können. Das hat sie nicht getan.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen plädiert häufig für eine aktivere deutsche Außenpolitik, was vor allen ein stärkeres militärisches Engagement meint. Spiegelt sich das im Haushalt wider?

Das kann man so nicht sagen. Einerseits stehen 4,1 Milliarden Euro für militärische Beschaffungen zur Verfügung, was wir allgemein kritisieren. Andererseits hat auch von der Leyen keine zusätzlichen Mittel bekommen. Nicht wenig Geld fließt weiterhin in die militärischen Großprojekte, die zwar nicht vorankommen, aber immer neue Kosten verursachen. Doch das Hauptprojekt der Ministerin ist 2015 ohnehin, die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen. Allerdings erweist sich die Attraktivitätsoffensive bei näherem Hinsehen eher als Mängelbeseitigung. Wir kritisieren daneben, dass sich keine auf Abrüstung zielenden Titel im Etat finden. Unser Vorschlag, einen Konversionsfonds für Kommunen und Unternehmen einzurichten, wurde abgelehnt. Das ist eine verpasste Chance.

Sie haben bereits auf zwei Anträge der Linksfraktion hingewiesen. Wie sieht es aus: Ist die Politik der Bundesregierung insgesamt so alternativlos, wie Merkel gerne behauptet? Oder gibt es eine linke Alternative, die sich rechnet?

Eine linke Alternative gibt es. Wir setzen der Schwarzen Null gestaltende Politik entgegen. Der entscheidende Unterschied ist, dass die Bundesregierung nur die Ausgaben begrenzt, aber wesentliche Möglichkeiten zur Einnahmesteigerung ungenutzt lässt. Dadurch schont sie zwar große Unternehmen und Menschen mit einem hohen Vermögen, schadet aber letztlich den Bürgerinnen und Bürgern, denen Ausgaben für Bildung, in öffentliche Infrastruktur oder die Sozialkassen zugute kämen. Durch das Steuer- und Finanzkonzept der LINKEN hätte der Bund 53 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Dies würde der Politik die Handlungsmöglichkeiten zurückgeben, die sie braucht.  

Was würde DIE LINKE mit diesen Möglichkeiten anders machen als die Bundesregierung?

Wir haben ein Zukunftsprogramm beantragt, in dessen Mittelpunkt notwendige Investitionen in eine sozial gerechtere Gestaltung unserer Gesellschaft stehen: Die Erhöhung des Hartz IV-Satzes auf 500 Euro pro Monat, mehr Mittel für das BAföG und Geld für ein Sonderprogramm gegen den Mangel an Ausbildungsplätzen, eine Investitionspauschale für die notleidenden Kommunen und für den Kitaausbau sind nur drei Punkte davon. Das geht ohne neue Schulden. Und fast noch wichtiger: Dieses Geld ist nicht einfach weg. Selbst der linker Gedanken unverdächtige Internationale Währungsfond mahnt höhere öffentliche Investitionen an, weil sie das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Eine andere Politik ist also nicht nur möglich, sie rechnet sich auch.