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Ein Schlafsack ist kein Zuhause

Nachricht von Caren Lay,

Von Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Lange Schlangen vor den Notunterkünften. Aufrufe, den Kältebus zu holen, wenn Menschen auf der Straße der Erfrierungstod droht. Die alljährliche Erkenntnis, dass es viel zu wenig Hilfs- und Betreuungsangebote gibt und erst recht keine tragbare Lösung für die Betroffenen: Jeden Winter drängt ein gesellschaftlicher Skandal an die Oberfläche der öffentlichen Aufmerksamkeit, der sonst kaum Beachtung findet. In einem reichen Land wie Deutschland haben zehntausende Menschen kein Dach über dem Kopf. Der Verlust der Wohnung ist oft der Beginn eines Teufelskreises.

Wohnungslosigkeit nimmt rapide zu

Am 14. November 2017 stellt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG-W), ein Zusammenschluss sozialer Dienste und Einrichtungen, ihre aktuelle Schätzung zur Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen vor. Die Zahlen werden erneut alarmierend sein. Zuletzt hatte die BAG-W im Jahr 2014 bundesweit 335.000 Menschen ohne Wohnung ermittelt, davon 22.000 Kinder. Das waren fast 20 Prozent mehr als noch zwei Jahre zuvor. Der Anteil der Menschen, die ganz auf der Straße lebten, war sogar um 50 Prozent auf 39.000 angestiegen. Angesichts dieses enormen Zuwachses hatte die BAG-W einen weiteren rapiden Anstieg auf bis zu 536.000 wohnungslose Menschen im Jahr 2018 prognostiziert.

Auf diese Schätzungen der BAG-W verlässt sich auch die Bundesregierung. Denn es sind die einzigen verfügbaren bundesweiten Zahlen. Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland mit offizieller Statistik, Berlin will im Frühjahr 2018 nachziehen. Seit Jahren fordern Verbände und DIE LINKE die Bundesregierung zur Einführung einer bundesweiten Wohnungsnotfallstatistik auf (zum Beispiel in einem Antrag (PDF) der vorherigen Legislatur). Die reagiert mit Ignoranz und Untätigkeit. Diese Verweigerung ist symptomatisch für den gesamten Umgang der Bundesregierung mit dem Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit.

Kommunen sind vor allem finanziell überfordert

Im Ergebnis überlässt die Bundesregierung die Not der wohnungslosen Menschen den Ländern und Kommunen. Die meisten Länder reichen sie unmittelbar an die Kommunen weiter. Die sind damit allerdings überfordert, vor allem finanziell. 6.000 Obdachlose allein in Berlin, 6.800 in München, davon 185 Kinder. Für die Städte ist die Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit ein Kampf gegen Windmühlen. Der Ausbau der Kapazitäten bei Notunterkünften, Hilfs- und Betreuungsangeboten und vor allem die Bereitstellung von Wohnungen muss immer wieder neu begonnen werden – weil die dramatische Entwicklung der Wohnungslosenzahlen die Bemühungen immer wieder überholt.

Der Bund darf nicht länger zusehen, wie sich die Kommunen im Hamsterrad der Elendsverwaltung drehen. Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind die sichtbarsten und unmenschlichsten Symptome einer verfehlten Wohnungspolitik: Niedergang des sozialen Wohnungsbaus; Steuernachlässe und Zuwendungen an die Immobilienwirtschaft, ohne dass auch nur eine einzige bezahlbare Wohnung entsteht; die Vogel-Strauß-Haltung in der Mietenpolitik, die in der wirkungslosen Mietpreisbremse ihren symbolischen Höhepunkt gefunden hat. Die bitteren Früchte dieser Politik ernten die von Wohnungslosigkeit Betroffenen. Sie sind den steigenden Mieten, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum, Wohnungsverlust und Zwangsräumungen weitgehend schutzlos ausgeliefert.

Gradmesser für soziale Wohnungspolitik

Die Einführung einer bundesweiten Wohnungsnotfallstatistik ist ein unerlässlicher und erster Schritt, um verlässliche Zahlen zum Ausmaß des Problems zu bekommen. Diese sind für Länder und Kommunen eine wichtige Planungsgrundlage für Betreuungs- und Hilfsangebote.

DIE LINKE setzt sich außerdem für eine Kehrtwende in der Wohnungspolitik ein. Das Recht auf Wohnen ist ein soziales Grundrecht. Wir wollen einen Neustart im sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau. 5 Milliarden im Jahr sollen, auch über das Jahr 2019 hinaus, in den Aufbau eines nicht-profitorientierten Wohnungssektors fließen. So können 250.000 bezahlbare Wohnungen im Jahr mit dauerhaft bezahlbaren Mieten entstehen. Wir wollen das Mietrecht sozialer gestalten, Zwangsräumungen stoppen, die Modernisierungsumlage abschaffen und eine wirksame Mietpreisbremse ohne Ausnahmen einführen. Das sind nur einige der Hebel, die politisch dringend umgelegt werden müssen, um die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen, die alltäglich auf den Wohnungsmärkten stattfindet. Die Verhinderung von Wohnungslosigkeit muss der Gradmesser für eine solche Wohnungspolitik sein.