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Foto: Rico Prauss

Ein Plädoyer für linke Wirtschaftspolitik

Kolumne von Dietmar Bartsch,

Foto: Jan Woitas/dpa

 

 

Von Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Wirtschaftspolitik gilt nicht als Domäne der LINKEN. Befragen die Institute das Volk nach entsprechender Kompetenz der Parteien, landen wir zwischen einem und drei Prozent. Der Staatssozialismus scheiterte wesentlich an mangelhafter ökonomischer Effektivität. Das wirkt nach. Heute sind viele Menschen mit ihrer eigenen wirtschaftlichen Lage durchaus zufrieden. Auch zwei Drittel der LINKEN-Anhänger. Sie wählen uns aus anderen Gründen.

DIE LINKE tut bisher zu wenig für ein positives wirtschaftspolitisches Image. Das ist nicht gut, denn die Bundesregierung sorgt sich nicht um das Wohl „der Wirtschaft“, sondern zuerst um das der großen Banken und Konzerne. Eine Lobby brauchen jedoch vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie erbringen 40 Prozent der steuerpflichtigen Umsätze, bieten mehr als zwei Drittel aller Arbeitsplätze und acht von zehn Stellen für Auszubildende. Viele Selbständige beuten vor allem sich selbst aus. Wenn wir die Macht der Multis beschränken oder gar brechen wollen, müssen wir Linke uns mit dem Mittelstand verbünden.

Wirtschaftspolitisch muss DIE LINKE ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen. Harald Wolf war von 2002 bis 2011 Wirtschaftssenator von Berlin. Zwischen 2005 und 2012 nahm das reale Bruttoinlandsprodukt in Berlin um jahresdurchschnittlich 2,3 Prozent zu. Im Bundesdurchschnitt waren es 1,5 Prozent. Ralf Christoffers war von 2009 bis 2014 Wirtschaftsminister von Brandenburg. In dieser Zeit gelangte das Land an die Spitze der ostdeutschen Länder beim Wirtschaftswachstum. Im Auftrag der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ und der „WirtschaftsWoche“ haben im Jahr 2012 Wissenschaftler alle 16 Bundesländer untersucht: Wo stehen sie, was Arbeitsmarkt, Soziales, Wirtschaft und Wohlstand angeht? Bei der Frage nach den Regionen mit der dynamischsten Entwicklung landeten Brandenburg auf dem ersten und Berlin auf dem dritten Platz. Die rot-roten Landesregierungen mit ihren LINKEN-Wirtschaftsministern haben augenscheinlich vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen.

In Ostdeutschland bestehen nach wie vor besondere Herausforderungen. Die Pro-Kopf-Wirtschaftskraft beträgt hier erst 71 Prozent des gesamtdeutschen Durchschnitts. Wir haben es im Osten mit einer äußerst kleinteiligen Wirtschaft zu tun. Es gibt fast keine großen Unternehmenszentralen, damit auch geringere Einkommen. Ich stimme den ostdeutschen Landesregierungen zu, wenn diese in einem gemeinsamen Positionspapier folgern: „Es wird in Ostdeutschland vor allem darauf ankommen, die kleinen und mittleren Unternehmen beim ‚Wachsen aus sich selbst heraus‘ bestmöglich zu unterstützen. Hierzu gehören beispielsweise eine gezielte Innovationsförderung, Unterstützung beim Technologietransfer oder bei der Bildung von Unternehmensnetzwerken, gehört Unterstützung bei der Entwicklung nationaler und internationaler Kooperationen sowie eine leistungsfähige Gründungs- und Wachstumsfinanzierung.“

Wir LINKE wollen der Wirtschaftspolitik und vor allem den kleinen und mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern mehr Aufmerksamkeit widmen. Wir brauchen den Anschluss an die Arbeitswelt, an die dort stattfindenden Umwälzungen der Produktivkräfte, z.B. infolge der Digitalisierung. Erst jüngst hat sich eine Klausur der Bundestagsfraktion mit Wirtschaftspolitik befasst. Für den  15. Juni plant unsere Fraktion eine Anhörung zum Thema „Industriepolitik in Ostdeutschland“. Seit einiger Zeit ist Gregor Gysi Mitglied im Politischen Beirat des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft. Meinen Respekt bekunde ich allen, die sich bei OWUS engagieren, dem unserer Partei nahe stehenden „Offenen Wirtschaftsverband von kleinen und mittleren Unternehmen, Freiberuflern und Selbständigen“. Erst vor wenigen Tagen konnte ich mit dem sächsischen Landesverband dessen 20. Geburtstag feiern.

Seit etwa 170 Jahren wissen wir um das widerspruchsvolle Verhältnis zwischen den Linken und der Wirtschaft. 1848 schrieb Karl Marx an Friedrich Engels unter Verweis auf dessen vermögenden Vater, einen Fabrikanten: „Ich habe einen sicheren Plan entworfen, Deinem Alten Geld auszupressen.“  DIE LINKE will den Kleinunternehmen, dem Handwerk oder den Kreativen nicht mehr Geld auspressen. Auf deren Ideen und Erfahrungen für gutes Wirtschaften und für eine vernünftige soziale und ökologische Entwicklung aber sollten wir nicht verzichten.