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Ein großer Sprung für Obama, ein kleiner fürs Klima

Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter,

 

Von Eva Bulling-Schröter, Sprecherin für Energie- und Klimapolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Anfang der Woche gab es mal good news aus dem Weißen Haus. Endlich tun die USA etwas für ein besseres Weltklima. Nein, Obama hat die NSA nicht aufgelöst. Auch Guantanamo wurde nicht geschlossen. Es ging, und das ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein durchaus seltener Vorgang, um handfestes Ordnungsrecht, Umweltpolitik und: Strom aus Kohle. Der schmutzige Kohlenstoffdioxid-Ausstoß aller Kohlekraftwerke muss, so die Zielvorgabe des am Montag vorgestellten "Clean Power Plan", in den nächsten 15 Jahren um 32 Prozent sinken. Dieser "größte, wichtigste Schritt zur Bekämpfung des Klimawandels, den wir jemals getan haben", erklärte Obama bei der Vorstellung seines Klimaplans, sei Teil der "globalen Anstrengungen der Vereinigten Staaten gegen die Bedrohung durch den Klimawandel". Es gäbe "nur ein Zuhause, einen Planeten" und "keinen Plan B", rief der Friedensnobelpreisträger seinen klimaskeptischen Landsleuten zu Recht zu. Klimawandel sei keine Meinung, sondern Tatsache.

Auf den ersten Blick eine gute Sache

Das klingt nach einer großen Schippe Klimaschutz, die Mister President den Stromherstellern verordnet. Per Präsidentenerlass, als Erweiterung bestehender Luftreinhalte-Gesetze, damit der Kongress, von den Republikanern kontrolliert, nicht blockiert und dem Demokraten-Star die Show stiehlt. Fürs Weltklima ist der Obama-Plan auf den ersten Blick eine gute Sache: Ein Drittel weniger CO2 aus Kohlekraftwerken bis 2030. Über 870 Millionen Tonnen weniger von der folgenreichen Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff, die bei der Verbrennung von Kohle, Benzin und Gas in die Luft fliegt, um sich in der kostenlosen, und mittlerweile überfüllten "Mülldeponie Natur" abzulagern. Millionen Tonnen weniger also von dem Umweltschadstoff (DIE LINKE fordert mit einem Antrag die Einstufung von CO2 als Umweltschadstoff auch in Deutschland), der zu 60 Prozent für den menschengemachten Klimawandel verantwortlich ist. Und dessen Konzentration in der Atmosphäre von einem Allzeithoch zum nächsten jagt. Doch was sind die realen Folgen von Obamas großen Worten? Der scheidende Präsident, der nach Ende seiner zweiten Amtszeit im November 2016 nicht erneut antreten darf, wolle sich mit der Klimapolitik einen Platz in den Geschichtsbüchern sichern, erfährt der Leser der "New York Times". Und viel wichtiger, hunderte alte Dreckschleudern müssten in den nächsten Jahren dicht machen.

Das wäre was. Bisher sind die Vereinigten Staaten in der internationalen Klimapolitik nämlich das, was man Bremser und Klimasünder nennt. Bloß keine Verpflichtungen für Industrie und Staat, lautet das Credo im Kapitol. Der Wohlstand der Vereinigten Staaten wurde bisher, wie in der gesamten industrialisierten Welt, mit Kohle befeuert. Historisch betrachtet sind die Amis die größten Klima-Verschmutzer überhaupt. Einsam stehen die USA an der Spitze jener sieben Länder, die zusammen für 63 Prozent der Erderwärmung der letzten 200 Jahre verantwortlich zeichnen (Deutschland folgt trotz seiner geringen Bevölkerung hinter China, Russland, Brasilien und Indien auf Platz 6). Bis heute gehören Kalifornier, Ostküstenbewohner und Südstaatler zu den Erdenbürgern, die dem Weltklima am meisten einheizen. Und von Umsteuern lange keine Spur. Von 1990 bis 2007 pusteten die Amerikaner von Jahr zu Jahr mehr CO2 in die Luft.

Klimaschutz als Image-Pflege?

Im Kampf um gute Presse sind CO2-Werte längst das, was beim Fußball die Tore sind. Und Obama ist gewillt zu punkten. Im Dezember schaut alle Welt nach Paris, wo nach dem grandiosen Scheitern des letzten Anlaufs in Kopenhagen 2009 und anschließendem zähen Verhandlungsmarathon endlich ein neuer Weltklimavertrag aufs Papier kommen soll, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius einzudämmen. Noch mal wird Washington nicht den klimapolitischen Bad Boy geben. Klimaschutz ist auch Image-Pflege. Mit dem Anti-Kohlekraftwerks-Plan im Gepäck wird Obama unterm Eiffelturm eine erneute Blamage zu verhindern suchen. Die Botschaft: Mein Land nimmt den Klimaschutz ernst. Dem gültigen Klima-Völkerrechtsvertrag von Kyoto sind die USA bis heute nicht beigetreten.

Kundentäuschung mit Klima-Zahlen versteht auch Obama. Der Trick: Als Messlatte für die verkündete 32-Prozent-Reduktion wurde das Jahr 2005 ausgewählt. Damals, vor der Finanz- und Wirtschaftskrise, spuckten die Kohlekraftwerke so viel CO2 wie kaum zuvor in die Luft. Der Kohle-Kraftwerkspark muss also nicht besonders in die Knie gehen. Laut Prognosen wird der CO2-Ausstoß der fossilen Energiewirtschaft schon 2015 so niedrig ausfallen wie zuletzt 1994. Nach Ende des schmutzigen Kohle-Booms vor 20 Jahren werden schon jetzt viele Kohlekraftwerke abgeschaltet: aus Altergründen und wegen neuer Quecksilber-Auflagen (die strenger sind als in Deutschland!). Vor allem aber, weil die Turbinen statt mit Kohle mit billigem Fracking-Gas aus heimischer Produktion laufen. Neue Gaskraftwerke ersetzen alte Kohlemeiler, das ist das wirkliche Neue. Die Hälfte des Reduktionshausaufgaben, gerechnet wird mit 15 Prozent weniger im Vergleich zu 2005, haben die Kohlekraftwerks-Betreiber also schon geschafft.

Unterm Strich nur eine Gesamtreduktion von sieben Prozent bis 2032

Auch bekommen Energiefirmen eine Gnadenfrist, und müssen erst 2022 mit dem Klimaschutz Ernst machen. Weil die Energiewirtschaft nur ein Drittel der gesamten US-Klimagase auf die Waage bringt, steuert Obamas Anti-Kohle-Dekret unterm Strich nur eine Gesamtreduktion von sieben Prozent bis 2032 bei. Völlig unklar auch, ob der nächste Präsident den "Clean Power Plan", den die Republikaner als "Sozialismus" verdammen und den "Krieg" erklärt haben, nicht einfach einmottet. Schaffen die Vereinigten Staaten ihre bei den Vereinten Nationen im März gemeldeten freiwilligen Klimaziele von 26 Prozent weniger CO2 bis 2025 im Vergleich zu 2005, haben sie im Vergleich zur Messlatte der Kyoto-Mitglieder 1990 nur läppische 14 Prozent eingespart. Wer den Finger in die Wunde noch tiefer legen will: Die Europäische Union hat bereits 2012 fast 20 Prozent gegenüber 1990 reduziert. Obamas Wurf ist sicher mutig. Vielleicht sogar ein großer Sprung für Amerika. Aber eben doch nur ein kleiner fürs Klima.

linksfraktion.de, 6. August 2015