Zum Hauptinhalt springen

East-Side-Gallery geht alle an

Im Wortlaut von Halina Wawzyniak,

Von Halina Wawzyniak, Bundestagsabgeordnete aus dem Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg
 

 

 

In Berlin findet in diesen Tagen ein erstaunliches Schauspiel statt. Obwohl mit komischen Zügen, besteht die Gefahr, dass es sich beim aufgeführten Stück um eine Tragödie handeln könnte. Auf jeden Fall aber ist es mehr als eine Provinzposse, die nur die Berlinerinnen und Berliner angeht.

Anfang der 90er Jahre, in Zeiten der großen Nachwendeeuphorie, gab es die Notwendigkeit, die geteilte Stadt auch baulich neu zu verbinden, Grenzen zu überwinden, Ost und  West zu einem gemeinsamen Berlin zu entwickeln. Bereits in diesen Jahren entstand die Idee, das Spreeufer im heutigen Ost-West-Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu bebauen. Der Spreeraum sollte nicht länger als Todesstreifen wahrgenommen werden. Er sollte als Stadtraum gestaltet werden. Grünflächen sollten angelegt, Wohnhäuser und Hotels gebaut werden. Später kam der Wunsch nach einer Brücke, der Brommybrücke, hinzu.

Die East-Side-Gallery wurde 1991 zwar unter Denkmalschutz gestellt, aber weder Politik noch Öffentlichkeit haben sie in dieser Zeit als Mahnmal wahrgenommen, das es zu bewahren gilt. Die Gemälde auf der Mauer waren sich selbst überlassen worden und verfielen zusehends. Erst 2000 gelang es dem Verein Künstlerinitiative East Side Gallery e.V. Mittel für eine Sanierung zu bekommen.

Es war dem damaligen PDS-Senator Thomas Flierl zu verdanken, dass Berlin 2006 endlich ein "Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer" verabschiedete und sich damit erstmals umfassend mit der Frage beschäftigte, wie die Überreste der deutsch-deutschen Teilung im Stadtbild erhalten und in ein Gedenkstättenkonzept integriert werden können. Mit dem Konzept, das sich klar zum Erhalt der East-Side-Gallery bekannte, konnte natürlich nicht rückgängig gemacht werden, dass bereits an mehreren Stellen Durchbrüche vollzogen worden waren, aber es sollte den Rest der East-Side-Gallery als Ensemble schützen.

Heute nun stehen wir vor der Situation, dass aufgrund geltenden Baurechts für eine Brücke und zwei Gebäudekomplexe für hochpreisige Eigentumswohnungen ein weiterer Teil der East-Side-Gallery abgerissen werden soll. Dies ist ein politischer Skandal, der spät, aber nun endlich und völlig zurecht einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hat. Am vergangenen Wochenende haben sich mehr als 5000 Menschen schützend vor die East-Side-Gallery gestellt, mehr als 50 000 Menschen haben in wenigen Tagen eine Petition zum Erhalt dieses Mauerstücks unterschrieben. Nun ist es an den politisch Verantwortlichen im Senat und im zuständigen Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, den verkündeten Wunsch der Bevölkerung und aller Parteien nach dem Erhalt der East-Side-Gallery endlich umzusetzen. Es ist an der Zeit und es ist möglich, sich den Spruch der Protestierenden zu Herzen zu nehmen: Mr. Wowereit, don´t tear down this Wall!

linskfraktion.de, 4. März 2013