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"Doping zählt zum Recht auf Selbstschädigung"

Im Wortlaut von Wolfgang Neskovic,

Gastbeitrag gegen die Kriminalisierung von Sportbetrügern: Überlastete Gerichte dürfen nichtgezwungen werden, sich mit Luxuskonflikten zu beschäftigen.

Die Kriminalisierung des Dopings ist schädlicher als das Dopen selbst - und zwar für die Allgemeinheit, die die Kosten trägt. Es ist nicht einzusehen, dass die ohnehin überlasteten Gerichte gezwungen werden sollen, sich mit Luxus-Konflikten bestimmter Interessensgruppen zu beschäftigen. Der Leistungssport ist ein hoch kommerzialisiertes System, in dem horrende Summen verdient werden, sodass nicht nur der Anreiz zu maximaler Leistung gegeben ist, sondern auch zu Manipulationen. Das liegt in der Natur der Marktwirtschaft, von der man erwarten kann, dass sie das Problem mit sich selbst ausmacht. Stattdessen wird auch im Sportbusiness versucht, wirtschaftliche Verluste zu sozialisieren, während die Gewinne weiterhin privatisiert werden. Das ist nicht hinnehmbar.

Antidoping-Aktivisten, die sich nach wie vor ein Gesetz wünschen, das auch die Sportler mit Haftstrafen bedroht, sollten sich daher eines klarmachen: Es ist nicht Aufgabe des Strafrechts, das Sportpublikum, Sponsoren und konkurrierende Sportler vor moralischer Entrüstung zu bewahren oder unartige Athleten zu erziehen. Weder die Bürger noch der Staat werden dadurch geschädigt, dass einzelne Spitzensportler dopen. Deswegen ist es zu begrüßen, dass das vom Bundestag am 5. Juli verabschiedete Gesetz auf eine Kriminalisierung des dopenden Sportlers verzichtet, so dass er weiterhin ausschließlich der Sportgerichtsbarkeit unterliegt. "Das Großartige im Sport" soll nämlich nicht aufgegeben werden, wie Wolfgang Schäuble sagte. Das würde es nach Meinung vieler, wenn in Zukunft vorbestrafte Athleten in die Stadien, Hallen, Schwimmbecken etc. stiegen. Egal wie hoch oder niedrig die Häftlingsquote in den Disziplinen - der Imageverlust wäre immens und der wirtschaftliche Schaden für den organisierten Sport vermutlich weit größer als bisher.

Dennoch ist die Novelle zu kritisieren: Das Strafmaß für gewerbs- und bandenmäßigen Handel wurde auf maximal zehn Jahre erhöht, was sich auf ungute Weise mit einer vorgesehenen Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten verträgt: Telefon-Abhörmaßnahmen und Kronzeugenregelung sollen klassische Maßnahmen wie Haftbefehl, Durchsuchung und Beschlagnahmung ergänzen. Hier wurde wieder ein Grund gefunden, den Datenschutz abzubauen und Denunziantentum zu befördern. Das ist alles andere als großartig und hat mit "Fair play" ungefähr so viel zu tun wie das Dopen selbst.

Es ist daher an der Zeit, die Problematik von der strafrechtlichen auf die gesellschaftliche Ebene zu verlagern: Wir brauchen umfassende Aufklärungskampagnen zu Gesundheitsrisiken beim Dopingkonsum. Wir müssen uns darum bemühen, die Berufssportlerinnen und -sportler in ihrer extremen Arbeitnehmerabhängigkeit zu entlasten. Vor allem bedarf es eines breit gefächerten Diskurses über neue Leistungsdefinitionen im Sport, und nicht nur dort: Mit den Prinzipien des Hochleistungssports gerät unser von Leistungs- und Konkurrenzzwängen bestimmtes gesellschaftliches Handeln auf den Prüfstand. Genau da gehört es nach Ansicht der Linken hin.

Wolfgang Neskovic (59), rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, ist Richter am
Bundesgerichtshof a.D.