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»Die SPD muss zu uns kommen«

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Düsseldorf (RP). Der Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine hat im Gespräch mit unserer Redaktion Bedingungen für eine mögliche Zusammenarbeit mit der SPD formuliert. Derzeit seien die Sozialdemokraten nicht koalitionsfähig. Zudem äußerte er sich über eine mögliche Wahl Gesine Schwans und das 155-Milliarden-Ausgabenprogramm der Linken.

Im Folgenden das Interview mit Oskar Lafontaine in voller Länge.

Werden Sie Gesine Schwan wählen?

Das weiß ich noch nicht. Wir werden beraten, was wir tun. Frau Schwan hat ja angekündigt, dass sie mit unserer Fraktion Gespräche führen will. Danach, und wenn wir die endgültige Zusammensetzung der Bundesversammlung kennen, werden wir uns festlegen.

Hat SPD-Chef Kurt Beck sie deswegen schon angerufen?

Nein, das würde auch nicht geheim bleiben. Wenn die SPD aber Unterstützung für ihre Kandidatin will, dann muss sie mit uns Gespräche führen.

Wird es politische Bedingungen für eine Wahl Schwans geben?

Nein, die Wahl des Bundespräsidenten hat mit der aktiven Politik nichts zu tun. Wir führen mit Frau Schwan ja keine Koalitionsverhandlungen.

Frau Schwan ist eine überzeugte Anti-Kommunistin und hält die Linkspartei für anti-demokratisch. Ist sie für die Linken dennoch wählbar?

Das hat sie früher wohl mal über die PDS gesagt. Wenn sie eine solche Behauptung heute noch so sehen würde, würde sie uns wohl nicht um Unterstützung bitten.

Die Distanz der SPD zur Linken hängt mit ihrer Person zusammen. Stehen sie einer vereinigten Linken im Weg?

Nein, die Vorbehalte gegen meine Person sind doch kindisch. Man muss Politik nicht nach Nasen, sondern nach Inhalten machen. Im übrigen verhindern eher diejenigen, die für Sozialabbau und völkerrechtswidrige Kriege stehen, das Zustandekommen einer gemeinsamen, linken Kraft.

Keine Partei, auch die SPD, hält die Linkspartei für koalitionsfähig.

Es geht nicht darum, ob wir der SPD genehm sind. Die SPD braucht Bündnispartner, es geht darum, ob sie für uns geeignet ist.

Und?

Die SPD ist derzeit aus inhaltlichen Gründen auf Bundesebene nicht koalitionsfähig. Dabei könnte sie nicht nur im Bund, sondern auch in Hamburg und in Hessen regieren.

Wenn sie Dinge wie den Ausstieg aus der Nato, den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und das Abschaffen von Hartz IV unterschreibt?

Wir wollen kein militärisches Interventionsbündnis. Und Sozialabbau ist mit uns nicht zu machen.

Ihre Forderungen alleine im Sozialbereich kosten pro Jahr 155 Milliarden Euro. Selbst Parteifreunde aus dem Osten fordern mehr "Realitätssinn".

Unsere Forderungen könnten alle Regierungspolitik werden. Wir haben ein solides Finanzkonzept. Wenn wir die Steuer- und Abgabenquote auf den EU-Durchschnitt heben, hätten wir 120 Milliarden Euro Mehreinnahmen in Deutschland. Wir wollen die Steuern für Geringverdiener senken und bei Reichen und bei den Unternehmensgewinnen erhöhen.

Auf Kosten vonWachstum und Jobs.

Nein, Steuerpolitik kann auch konjunkturstützend sein. Wenn die Konjunktur ins Trudeln kommt, muss man Steuern senken.

Nach der Wiedervereinigung wurden 180 Milliarden Euro in den Osten gepumpt, was zu schweren wirtschaftlichen Verwerfungen führte. Hätte ihr Programm nicht ähnliche Auswirkungen?

Wir betten steuerpolitische Entscheidungen in die ökonomische Entwicklung ein und sie erfolgen in angemessenen Schritten.

Also Verschuldung. Ist Haushaltsausgleich für Sie kein Ziel?

Wir wollen Schulden abbauen. Wie wir jetzt sehen, baut man sie durch Wachstum ab.

Dann müssten Sie doch zufrieden sein mit den letzten Jahren?

Deutschland hat das Glück der Weltkonjunktur gehabt und dass andere Staaten den Fehler der Regierungen Schröder und Merkel nicht gemacht haben, die Binnenkonjunktur abzuwürgen.

Sie bestreiten, dass die Agenda 2010 mithalf 1,6 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs zu schaffen?

Selbstverständlich haben die mit dem Aufschwung nichts zu tun, sondern nur mit der Verschlechterung der Löhne und Arbeitsbedingungen.

Lieber arbeitslos als niedrig bezahlt?

Von der Arbeit muss man leben können. Die Behauptung, dass sich Deutschland einen Mindestlohn von acht Euro nicht leisten kann, ist lächerlich.

Wo die Linksparte mitregiert, wie in Berlin, kürzt sie Sozialleistungen. Ist das eine andere Partei?

Sicher, es gab früher auch Fehlentscheidungen. Doch die Linke in Berlin gewinnt an Profil. Sie hat im letzten Jahr verhindert, dass die größte Sparkasse Deutschlands privatisiert wird.

Wird Oskar Lafontaine 2009 Ministerpräsident im Saarland?

Wenn wir zweitstärkste Kraft werden, also eine der beiden großen Parteien hinter uns lassen, wollen wir eine Regierung bilden.

Michael Bröcker und Martin Kessler führten das Gespräch.

Rheinische Post, 30. Mai 2008