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»Die SPD ist wieder spät dran«

Im Wortlaut von Frank Tempel,

Frank Tempel über Versäumnisse der SPD im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung, Probleme beim Aufspüren von Steuer- und Finanzdelikten wie Geldwäsche, Schäden, die dem Gemeinwesen durch Steuerhinterziehung entstehen, und die Forderung der Fraktion DIE LINKE, eine Bundesfinanzpolizei einzurichten

Am vergangenen Wochenende haben SPD-Chef Gabriel und Kanzlerkandidat Steinbrück im Falle eines Wahlsiegs einen Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung versprochen. Das wird Sie sicher freuen...

Frank Tempel: Die SPD ist nur leider wieder etwas spät dran. Es muss sich erst zeigen, ob sie auch über den Wahlkampf hinaus einen langen Atem zeigt. DIE LINKE hatte das Thema Steuerhinterziehungen und Wirtschaftskriminalität schon auf die politische Agenda gehoben, bevor der Fall Hoeneß die anderen Parteien aus dem Tiefschlaf weckte.

Was hat die SPD in ihrer Regierungszeit gegen Steuerhinterziehung unternommen?

Definitiv zu wenig. Das kann auf jeden Fall festgehalten werden. Die strukturellen Defizite in den Bereichen der Steuer- und Finanzermittlungen gibt es doch nicht erst seit dieser Legislatur. Personalabbau, unbesetzte Stellen und das Ignorieren von Verbesserungsvorschlägen haben wir seit Jahren kritisiert.

Wie hoch ist der Schaden, der dem Gemeinwesen durch Steuerhinterziehung Jahr für Jahr entsteht?

Um die genaue Zahl herauszubekommen, ist es eben notwendig, zu kontrollieren, zu prüfen und bei Verdachtsmomenten auch zu ermitteln. Steuer- und Finanzdelikte wie Geldwäsche gehören zur sogenannten Dunkelfeldkriminalität. Das heißt, hier gibt es nicht den klassischen Geschädigten, der Anzeige erstattet. Stattdessen können solche Straftaten nur durch eine verbesserte Kontrolle überhaupt entdeckt werden. Die Statistik beispielsweise aus dem Jahr 2004 schätzt den Schaden auf 1,6 Milliarden. Experten wie der ehemalige Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, schätzte die Dunkelziffer hingegen auf 30 Milliarden. 


Stichwort Steuergerechtigkeit: Fehlt die in Deutschland?

Sie ist zumindest zum schwer definierbaren Fremdwort geworden. Steuersenkungen oder gar Steuerverzicht gerade bei großen Privatvermögen und Kapitalgesellschaften sind da nur eine Dimension des Problems, denn bei den Themen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung gilt oftmals das Sprichwort: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Konkret heißt das: Um die Steuererklärung des Mechanikers Hänschen Müller zu überprüfen, sind die Landesbehörden gut aufgestellt. Viele kleine Fälle liefern viele Aktenzeichen und vermitteln das Bild emsiger Aktivität. Um aber Geldwäsche und ähnliche Delikte mit grenzüberschreitetenden Ausmaß wirkungsvoll aufdecken und ermitteln zu können, sind gebündelte schlagkräftige Strukturen notwendig. Das ist eine Forderung, die zum Beispiel auch die Gewerkschaft der Polizei aufgestellt hat. Sie fordert bereits seit langem eine Bundesfinanzpolizei. DIE LINKE hat diese Forderung aus der Praxis aufgegriffen. 



Welche Folgen hat diese Steuerungerechtigkeit für Land und Kommunen. Wie wirkt sich das zum Beispiel in ihrem Wahlkreis aus?

Es fehlen ganz einfach die Einnahmen, um die Leistungsfähigkeit des Staates aufrecht zu erhalten. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen sind hierfür ein sehr klarer Indikator: Seit Jahren wird es für für die Kommunen immer schwieriger, die sogenannten freiwilligen Leistungen in Bereichen wie Breitensport, Kultur, Bildung und Soziales zu gestalten. Heute werden oftmals notgedrungen die Pflichtaufgaben gestrichen, was am Zustand vieler Kreisstraßen oder an fehlenden Investitionen an Schulgebäuden leider zu erkennen ist.

Sie haben lange Jahre im Polizeidienst gearbeitet. Haben Sie selbst Erfahrungen im Kampf gegen Steuerhinterziehung gesammelt?

Das ist dann doch eher Sache der Steuerfahnder unter Regie der Länderfinanzministerien, was DIE LINKE im Übrigen auch so belassen will. Wir brauchen keine Superpolizei, die alles darf und kann, sondern Behörden, die für ihre Arbeit jeweils das notwendige Werkzeug und die notwendige Struktur an die Hand bekommen. Beispielsweise liegen die Kompetenzen zur steuerlichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beim Zoll, und da sollen sie auch bleiben. Da heißt es, Schuster bleib bei deinen Leisten. 



DIE LINKE will Steuerhinterziehung mit einer Bundesfinanzpolizei bekämpfen. Warum braucht es die?

Die Bundesfinanzpolizei wird die Steuerfahndungen der Länder nicht ersetzen, sondern die Kontrollen, die bisher bei den Fahndungseinheiten des Zolls lagen, bündeln und so Synergieeffekte schaffen. Zurzeit besteht der Zoll aus einem administrativ-finanziellen – der sich als Partner der Wirtschaft versteht – und einem kontrollierenden Teil, der die Einhaltung der Vorschriften kontrolliert. Kontrolle und Service in einer Behörde widersprechen sich aber. Wir wollen die Fahnder nun sozusagen von der Leine lassen, wenn es um die großen Fische geht.

linksfraktion.de, 21. August 2013