Zum Hauptinhalt springen

»Die Kanzlerin ist eine von vielen«

Im Wortlaut von Steffen Bockhahn,

 

Steffen Bockhahn vertritt DIE LINKE im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages zur Aufsicht der Geheimdienste, das am 24. Oktober wegen des abgehörten Handys der Kanzlerin zusammenkam. Er findet, dass die Bundesregierung bereits im Sommer aktiv hätte werden müssen, zweifelt, dass andere Staaten ihre Geheimdienstchefs in einen Untersuchungsausschuss des Bundestages entsenden, und fragt, ob die deutschen Geheimdienste bei der Spionageabwehr versagt haben.

 

Eigentlich war doch schon alles beendet. Ronald Pofalla hatte den Ausspähskandal der NSA im Sommer schon für beendet erklärt. Die amerikanischen und britischen Geheimdienste hätten versichert, sich in Deutschland an Recht und Gesetz zu halten. So hieß es damals. Der Vorwurf, der auf die Enthüllungen von Edward Snowden zurück geht, lautete, die Amerikaner und Briten würden millionenfach Emails und Telefonate auch von Deutschen ausspionieren, ohne einen Anlass zu haben. Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages hat dazu fast ein Dutzend Mal getagt und immer wieder auf Granit gebissen. Die Regierung aus Union und FDP wollte einfach nicht wissen, was da tatsächlich passiert.

Doch nun kam alles anders. Eine Presseanfrage an das Bundeskanzleramt brachte einen großen Stein ins Rollen. Auf höchster Ebene wurde plötzlich zwischen der Bundesrepublik und der USA verhandelt, wurden Auskünfte eingeholt, wurde um Stellungnahmen gebeten. Und dann telefonierte die Kanzlerin selbst mit dem Präsidenten der USA. Mit dem Mann, dessen Freundschaft sie sich doch so sicher sein konnte, spätestens nachdem er das im Juni bei seinem Staatsbesuch in Berlin vor laufenden Kameras und hunderten geladenen Gästen sagte.

Und eigentlich war nicht mehr passiert, als das klar wurde: Die Kanzlerin ist eine von vielen. Auch ihr Handy wurde offenbar von der NSA abgehört. Das ist ganz schlechter Stil, zumal unter Freunden. Aber ist es wirklich ein Unterschied, ob millionenfach unbescholtene Bürgerinnen und Bürger ausgeforscht werden oder die Kanzlerin? Das Grundgesetz sagt Nein. Denn gemäß Artikel 3 sind alle Menschen gleich. Doch erst jetzt wird die Bundesregierung aktiv, wird deutlich gegenüber den USA und spielt alle Karten aus, die im Sommer längst fällig waren.

Was bleibt ist Ohnmacht. Dieses unangenehme Gefühl sich nicht wehren zu können. Wirklich überraschend sind die neuen Entwicklungen aber eigentlich nicht. Geheimdienste sind unmoralisch. Sie spitzeln, sie schnüffeln, sie verletzten Privatsphäre. Wer Geheimdienste nicht komplett ablehnt, muss damit leben, wenn sie das tun, wofür sie da sind. Gemacht wird, was möglich ist.

Bleibt die Frage, was das Parlament, was der Bundestag tun kann. Ich meine, ein Untersuchungsausschuss ist nicht hilfreich. Wir können uns eben nicht die Protokolle der Geheimdienste fremder Staaten in den Ausschuss holen. Es gibt keinen Anspruch darauf, dass andere Staaten ihre Geheimdienstchefs in unser Parlament schicken, damit die hier erzählen, was sie so alles tun.

Aber wir können im Parlament dafür sorgen, dass die Bundesregierung endlich auf internationaler Ebene mit ihren Partnern Klartext redet. Nicht nur wenn es um die Kanzlerin geht.

Ach ja. Und dann sind da noch die deutschen Geheimdienste. Deren Aufgabe ist es auch, uns vor Spionage zu schützen. Bisher haben sie gesagt, dass sie keine Erkenntnisse haben. In diesem Falle hätten sie ein weiteres Mal versagt. Das zu klären, dafür haben wir das PKGr und den Innenausschuss des Deutschen Bundestages.

 

linksfraktion.de, 26. Oktober 2013