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Die 100 Tage des Herrn Schmidt – fränkischer Stammbaum allein wird nicht reichen

Im Wortlaut von Kirsten Tackmann,

Gespräche, die der neue Landwirtschaftsminister erst noch führen muss: Kirsten Tackmann und ein Schäfer

 

Von Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 

Nachdem Hans-Peter Friedrich (CSU) am Freitag als Agrarminister zurückgetreten ist, hat die CSU jetzt seinen Nachfolger benannt – Dr. Christian Schmidt, bisher Parlamentarischer Staatssekretär im Entwicklungshilfeministerium. Agrarpolitisch ist er ein ebenso wenig beschriebenes Blatt wie seine CSU-Vorgänger im Amt – Seehofer, Aigner und Friedrich. Aber auch ihm seien 100 Tage Schonfrist gewährt und gemessen wird auch er an den Brennpunkten in den ländlichen Räumen und in der Agrarwirtschaft.

DIE LINKE fordert ein anderes agrarpolitisches Leitbild. Die Versorgung in den Regionen mit nachhaltig erzeugten, bezahlbaren Lebensmitteln und dezentral zur Verfügung gestellter Energie muss in den Mittelpunkt gerückt werden statt die weltweite Belieferung anonymer Märkte. Wir wollen, dass die Landwirtschaft vor allem die Menschen versorgt, am besten regional. Der Markt ist hierbei Dienstleister für die Landwirtschaft und nicht umgekehrt.

Das sieht die Bundesregierung bisher jedoch genau umgekehrt – hier ist die Landwirtschaft ist zum Dienstleister für einen globalen Markt geworden, der Menschen nur auf ihren Geldbeutel reduziert. Dieser sozial und ökologisch blinde Markt knebelt die Landwirtschaftsbetriebe! Aber es ist inakzeptabel, dass man betriebswirtschaftliches Scheitern riskiert, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vernünftig bezahlt werden und die Natur geschont wird. Das ist ein Systemfehler und der muss behoben werden!

Und so lautet die Hausaufgabe der LINKEN für den neuen Agrarminister Schmidt, wie für alle seine Nachfolgerinnen und Nachfolger: Schaffen Sie ein neues agrarpolitisches Konzept, dass friedensstiftend bei den vielen Brandherden in den Dörfern und kleinen Städten wirkt!

Es seien hier nur ein paar der wichtigsten genannt.

Die Boden- und Pachtpreise sind mit landwirtschaftlicher Arbeit längst nicht mehr bezahlbar. Deshalb müssen Sie den spekulativen Bodenerwerb durch nicht-landwirtschaftliche Investoren verhindern!

Übertragen Sie die restlichen Flächen der BVVG Bodenverwertungs- und verwaltungs GmBH an die ostdeutschen Bundesländer, kostenlos oder wenigstens zum fairen Preis!

Regeln Sie gesetzlich definierte Obergrenzen für Tierbestände, sowohl für ihre Größe und Dichte als auch für Standorte und Regionen. Megaställe mit 400.000 Hähnchen oder 40.000 Schweinen sind nicht vernünftig – weder sozial, noch ökologisch oder demokratisch.

Stärken Sie die Erzeugerbetriebe durch Förderung regionaler Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen. Das bringt Wertschöpfung in die Regionen und rettet mehr Betriebe als Fördergelder, die in fremden Taschen landen.

Stärken Sie Erzeugergemeinschaften und fördern Sie Agrargenossenschaften, auch durch Aus- und Weiterbildung. Sie sind eine gute Alternative zum Höfesterben.

Schaffen Sie die anachronistische Hofabgabeklausel ab. Sie zwingt zur Hofaufgabe für eine Armutsrente. Sie ist quasi eine staatlich angeordnete Enteignung und beschleunigt nur unnötig den Strukturwandel.

Sorgen Sie dafür, dass bei der Energiewende die Dörfer mitbestimmen und die Regionen profitieren statt vor allem die Landeigentümer und Investoren.

Deckeln Sie den Maisanteil für Biogasanlagen bei 30 Prozent. Es gibt wahrlich intelligentere Alternativen, die gleichzeitig die Landwirtschaft auch bienenfreundlicher gestalten.

Stellen Sie klar, dass die Vorerntebehandlung mit dem Unkrautvernichter Glyphosat keine gute landwirtschaftliche Praxis ist und beenden Sie diesen Unsinn!

Sorgen Sie dafür, dass bei den dringend benötigten Ausweichflächen fürs Hochwasser Agrarbetriebe fair eingebunden werden. Und dass Hochwasserschutz für viele nicht an einzelnen Landeigentümern scheitert. Dafür gibt es Artikel 14 im Grundgesetz.

Lehnen Sie die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen ab! Die Mehrheit durchschaut, wer vor allem davon profitiert und will keine Landwirtschaft, die nach der Pfeife von Saatgutkonzernen tanzt.

Vergessen Sie das Freihandelsabkommen mit den USA. Wer will schon Chlorhähnchen oder Fracking!

Machen Sie sich für die Dörfer stark. Sie müssen per Bus und Bahn erreichbar bleiben, Kranke müssen versorgt werden und Internet darf kein Neuland bleiben.

Beenden Sie die direkte und indirekte Agrarexportförderung, weil sie den Entwicklungsländern Zukunftschancen verbaut.

Und machen Sie die Agrarforschung zur Chefsache. Damit helfen wir uns selbst und der Welt.


Herr Schmidt, auch Ihre 100 Tage laufen. Ab jetzt.

linksfraktion.de, 17. Februar 2017