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Ein Mann greift in Berlin in einen Mülleimer der BSR © picture alliance/Robert SchlesingerFoto: picture alliance/Robert Schlesinger

Der Teufelskreis aus Armut und politischem Rückzug

Nachricht,

Ulrike Müller berichtet von der Anhörung zum Fünften Armuts- und Reichtumsbericht

 

Der Fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung dokumentiert, wie sich die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen verfestigt hat. Am 19. Juni fand dazu eine Anhörung mit Sachverständigen statt. Die Fraktion DIE LINKE musste ihn einbringen, denn eine Befassung des Bundestags war von der Bundesregierung nicht geplant. Das ist fragwürdig, weil die dokumentierte Ungleichheit nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Frage stellt, sondern auch die demokratische Legitimation von staatlichem Handeln.
 
Wer Geld hat, bestimmt

Dr. Joachim Rock, der Sachverständige vom Paritätischen Gesamtverband, wies auf eine Studie hin, die den Zusammenhang zwischen ökonomischer Lage und politischen Entscheidungen nachgewiesen hat. Die Meinungen von ökonomisch Bessergestellten fanden sich besonders häufig in gesetzgeberischen Entscheidungen wieder, die Meinungen von einkommensschwachen Personen dagegen auffallend selten.

Dieser Befund blieb kontrovers: Werden die reichenfreundlichen Entscheidungen tatsächlich durch Reichtum verursacht oder tritt beides einfach nur gleichzeitig auf? Oder führen erst die politischen Entscheidungen zu Ungleichheit? Joachim Rock erklärte den „Teufelskreis aus mangelnder Berücksichtigung […] und weniger Partizipation“. Die Interessen von armen Menschen werden vom Gesetzgeber kaum berücksichtigt. Diese Menschen haben dann den Eindruck, dass sich demokratische Beteiligung generell nicht lohnt, sie gehen seltener zu Wahlen und ziehen sich auch sonst politisch zurück. In der Folge fallen Entscheidungen noch nachteiliger für sie aus. „Das ist für die demokratische Entwicklung ungemein besorgniserregend“, so Joachim Rock.
 
Arm trotz wachsendem Wohlstand

Auffällig ist das „Armutsparadox“: der Anstieg von Armut bei gleichzeitig wachsender Wirtschaftsleistung und sinkender Erwerbslosigkeit. „Der Bericht dokumentiert dieses Paradox. Er erklärt es aber nicht und er gibt auch keine weiterführenden Hinweise, um Armut wirksam zu bekämpfen“, so Joachim Rock. Zudem fehlen viele Daten für eine wirksame Armutsbekämpfung, etwa zur verdeckten Armut und bundesweit zu Wohnungslosigkeit. Deshalb fordert DIE LINKE in ihrem Antrag “Programm für soziale Gerechtigkeit – Konsequenzen aus dem Fünften Armuts- und Reichtumsbericht”, dass der Bericht von einem unabhängigen Expertengremium erstellt wird. In dieselbe Richtung gehen die Forderungen von Paritätischem Gesamtverband und Caritas.

Gerade für Personen, die mit wenig Geld und wenig gesellschaftlicher Anerkennung auskommen müssen, bleibt die Herausforderung: Sich nicht unterkriegen, nicht entmutigen zu lassen und immer wieder den eigenen Anspruch auf Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand auszudrücken. Denn langfristig verschlimmert der Rückzug aus der Politik die eigene Situation.