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Der politischen Eiszeit in Europa etwas entgegensetzen

Im Wortlaut von Wolfgang Gehrcke,

ParlaCon-Treffen 2015 in Helsinki


Von MdB Wolfgang Gehrcke


Wir leben in einer Zeit der sozialen Kälte, in der demokratische Teilhabe immer mehr schwindet und Flüchtende, die es in den EU-Raum schaffen, vielfach drangsaliert und bekämpft werden. Es ist eine Zeit, in der Menschen in Europa am Rande eines Krieges oder sogar in einer aktuellen Kriegssituation leben. Die Europäische Union hat längst ihre Strahlkraft verloren und ist auf ihren Kern zurückgeworfen, nämlich ein imperialer Zusammenschluss von Staaten zur Erhaltung und Neuverteilung von Macht. Die LINKE wollte immer ein europäisches Deutschland, erhalten haben wir allerdings ein deutsches Europa.

In dieser politischen Gemengelage ist eine starke linke Stimme in den Parlamenten und auf der Straße notwendiger denn je. Im Rahmen der Partei der Europäischen Linken (EL) müssen wir deutlicher gemeinsam agieren und zu einem gemeinsamen Programm kommen.

Das am vergangenen Samstag stattgefundene ParlaCon-Treffen in Helsinki war ein Schritt in diese Richtung. Auf Einladung des finnischen Linksbündnisses (Vasemmistoliitto) trafen sich Abgeordnete der EL und anderer Linksparteien unterschiedlicher parlamentarischer Ebenen von insgesamt 14 Parteien aus 13 Ländern. Ich finde dieses von der EL ausgerichtete Treffen wichtig, denn es ist ein Ort, an dem wir ohne den Druck einer Beschlussfassung Themen unbürokratisch, über Länder- und Parteigrenzen hinweg diskutieren können.

Schnell wurde deutlich, dass Linke in Europa unter höchst unterschiedlichen Bedingungen arbeiten: SYRIZA bspw. in Regierungsverantwortung, DIE LINKE bspw. als Oppositionspartei oder Parteien ohne parlamentarische Vertretung. Dennoch haben wir natürlich mit ähnlichen Herausforderungen zu tun.

Europaweit erleben wir drastische Angriffe auf Demokratie und Sozialstaat. Einig waren wir uns über die Notwendigkeit der sozialen Frage im Zentrum linker Politik. Wir wollen gemeinsame Initiativen gegen die Austeritätspolitik verstärken. Der Kampf gegen TTIP, CETA und TiSA steht in unseren Parteien oben auf der Tagesordnung und sollte besser vernetzt neben Protesten auf der Straße auch im Parlament passieren. Als Maßstab der europäischen Wirtschaftspolitik muss eine friedliche, nachhaltige, sozial-ökologische wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung und soziale Sicherheit stehen. Nicht zuletzt deswegen formulierte der portugiesische Linksblock (Bloco de Esquerda) als Mindestbedingungen für eine Tolerierung der sozialdemokratischen Partei an der Regierung die Ablehnung des Einfrierens der Renten, die Beibehaltung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung sowie die Beibehaltung des Kündigungsschutzes.

Wo das Profil linker Politik verschwimmt, ist der Raum für rechten Populismus größer geworden. Die Ängste vieler Menschen werden von Rechten genutzt, um Hass und Aggression gegen Schwache in der Gesellschaft und jetzt besonders gegen Flüchtlinge zu lenken. In der Debatte zur Flüchtlingspolitik haben wir eine klare Absage an die nationalistische und rassistische Politik der politischen Rechten erteilt und bekräftigt: Das Fundament unserer Politik ist die Solidarität.

Verschiedene Parteien unterstrichen den Fakt, dass Sicherheit in Europa nur mit, nicht gegen Russland zu erreichen sei. Zudem war die Wichtigkeit der Stärkung der Friedensbewegung Gegenstand unserer Debatte. Anlässlich der Ostermärsche 2016 sollte die Europäische Linke laut gegen NATO, Aufrüstung und Militarisierung auf die Straße gehen und das auch parlamentarisch begleiten.

Ich habe angeregt die ParlaCon-Treffen künftig zusammen mit den linken Fraktionen in der parlamentarischen Versammlung des Europarates und der OSZE zu organisieren. Damit kämen Fragen der Menschenrechte und der europäischen Entspannungspolitik sowie ein größeres politisches Spektrum in das Zentrum unserer Debatte.

linksfraktion.de, 21. Oktober 2015

 

siehe auch Redetext von Wolfgang Gehrcke bei der ParlaCon 2015