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Horst Seehofer, Olaf Scholz und Bundeslanzlerin Angela Merkel auf der Regierungsbank im Plenarsaal des Bundestages © dpaFoto: dpa

Der Markt wird das eben nicht schon irgendwie regeln

Im Wortlaut von Heidrun Bluhm-Förster, Das Parlament,

Heidrun Bluhm-Förster (DIE LINKE) hat scharfe Kritik an der Investitionspolitik der Bundesregierung angesichts einer stotternden Konjunktur geübt. „Offenbar ist die Bundesregierung der Überzeugung, dass der Markt das schon irgendwie regeln wird und man deshalb darauf nicht reagieren muss“, sagte die Haushalts-Politikerin im Interview mit der Wochenzeitung »Das Parlament« anlässlich der ersten Lesung des Regierungsentwurfes für den Bundeshaushalt 2020. Bluhm-Förster verwies auf die Forderung ihrer Fraktion, jetzt mit einem Investitionsprogramm die Binnenkonjunktur anzukurbeln, um die Abhängigkeit vom Export zu reduzieren. Zudem gebe es einen großen Investitionsstau im Bereich der Infrastruktur. Dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erst im Fall einer Krise mit Milliarden gegenhalte wolle, sei zu spät, kritisierte die Abgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern: „Die Bundesregierung wartet darauf, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist, um den Rettungsring in den Brunnen zu werfen. Wir sind der Auffassung, dass wir den Brunnen so sichern sollten, dass das Kind gar nicht hineinspringen und deswegen auch nicht ertrinken kann.“ 

Bluhm-Förster, Haushalts-Berichterstatterin ihrer Fraktion für die Etats Wirtschaft, Umwelt und Landwirtschaft, kritisierte zudem, dass vieles in der Klimapolitik „finanziell völlig unklar ist“. So sei dem Parlament noch nicht der Wirtschaftsplan für den Energie- und Klimafonds für das kommende Jahr vorgelegt worden. „Die Regierung weiß überhaupt noch nicht, was sie beschließen will und was das alles kosten wird“, sagte Bluhm-Förster. Die koalitionsinternen Verhandlungen zur Klimapolitik betrachtet die Abgeordnete mit Skepsis: „Ich bin sehr gespannt, wie das unter Leitung der Kanzlerin am 20. September ausgehen wird und welche Vorschläge dann tatsächlich in ein Klimaschutz-Gesetz umgesetzt werden. Ich erwarte aber nicht allzu viel von diesem Klimakabinett.“

 

Das Parlament: Frau Bluhm-Förster, Finanzminister Olaf Scholz will mit dem Haushalt den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Gelingt das dem Finanzminister mit diesem Entwurf?
Heidrun Bluhm-Förster: Unser Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch hat dieser Aussage in der Elefantenrunde eine klare Absage erteilt. Wir sind der Auffassung, dass diese Regierung in all ihren Positionen festgefahren ist. Die Koalition redet zwar viel über Neues, was notwendig sei, aber es bildet sich letztlich im Haushalt nicht ab. Ein Beispiel dafür ist, dass das Klimakabinett erst Ende September tagt und vieles in der Klimapolitik finanziell völlig unklar ist.

Ist die Bundesregierung gut genug aufgestellt, um diese Querschnittsaufgabe anzugehen?
Leider nein. Das Klimakabinett wäre der richtige Ort, an dem aus den verschiedenen Ministerien Vorschläge kommen müssten. Aber Umweltministerin Svenja Schulze rennt ja windmühlenartig gegen andere Ministerien an, um überhaupt Vorschläge anzufordern, selbst macht sie nicht mal mehr welche. Ich bin sehr gespannt, wie das unter Leitung der Kanzlerin am 20. September ausgehen wird und welche Vorschläge dann tatsächlich in ein Klimaschutz-Gesetz umgesetzt werden. Ich erwarte aber nicht allzu viel von diesem Klimakabinett.

Wie beurteilen Sie denn die Zahlen, die mit dem Haushalts-Entwurf bereits abgebildet werden?
In den Etats Wirtschaft, Landwirtschaft und Umwelt, die ich bearbeite, fällt auf, dass sich die Zahlen nicht wesentlich verändern. Der Energie- und Klimafonds (EKF) soll sich hingegen laut Eckwert gegenüber 2018 halbieren. Da hätten wir eigentlich gar nichts dagegen. Eigentlich könnte der Fonds sogar ganz abgeschafft werden.

Wieso?
Wir fanden es schon zur Einrichtung des EKF falsch, den Fonds als Sondervermögen des Bundes neben den Haushalt zu stellen und so der Bearbeitung durch das Parlament zu entziehen. Die Mittel sollten unserer Meinung nach direkt über den Haushalt fließen. In dieser Form ist der EKF nur ein Selbstbedienungsladen der Regierung, die willkürlich darauf zurückgreifen kann. Und für das Jahr 2020 ist uns noch gar nichts vorgelegt worden. Die Regierung weiß überhaupt noch nicht, was sie beschließen will und was das alles kosten wird.

In der Bundesregierung wird gerade über eine Klima-Anleihe diskutiert, um so privates Geld für den Klimaschutz zu mobilisieren. Ist das für Die Linke ein gangbares Modell?
Nein. Unsere Vorstellung ist, dass jene in den Klimaschutz investieren müssen, die an der schlechten Bilanz beteiligt sind. Der CO2-Ausstoß muss einen Preis haben. Klar ist aber auch, dass der Staat jene Bürger unterstützen muss, die sich nicht aus dem eigenen Einkommen beteiligen können.

Der angestrebte Ausstieg aus der Kohle, um den Klimaschutz voranzubringen, soll mit Milliarden für den Strukturwandel begleitet werden. Reicht das, was sich die Bundesregierung vorstellt?
Nein, man muss diesen Strukturwandel sehr langfristig und verlässlich angehen. Die Regionen müssen darauf zählen können, man braucht eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Das sehen wir im Moment bei der Bundesregierung überhaupt nicht. Wir benötigen konkrete Konzepte statt großer, pauschaler und undefinierter Ansagen.

Was stellen Sie sich denn vor?
Wir schlagen vor, zwei Fonds zu gründen. Zum einen eine Art Strukturfonds. Hier sehen wir vor allem die Bundesregierung in der Pflicht, die den Ausstieg ja vorantreibt. Mittel aus dem Fonds sollten dann für Innovationen, für Klimaschutz und regenerative Energien eingesetzt werden, damit wir in diesem Bereich wieder Technologiespitzenreiter werden. Das muss klar mit Standortpolitik verbunden werden, damit - bevor die Arbeitsplätze in den Kohlerevieren wegfallen - Umstiegs- und Umschulungsmöglichkeiten geschaffen und Unternehmensgründungen aus diesem Fonds gefördert werden. Zum anderen brauchen wir einen staatlichen Nachsorgefonds, um Schäden in der Natur und Umwelt zu beseitigen, Infrastruktur auf-, aber auch rückzubauen. Da könnten auch die Rücklagen der Tagebaubetreiber miteinfließen. Wenn man das täte, dann kann man den Menschen auch wieder vor die Augen treten und sagen: Wir kümmern uns um Dich, Du hast eine Alternative, wir bieten Dir etwas an.

Die Konjunktur in Deutschland stottert, manche sehen eine sich anbahnenden Krise. Reagiert die Bundesregierung in dem Etat ausreicht darauf?
Offenbar ist die Bundesregierung der Überzeugung, dass der Markt das schon irgendwie regeln wird und man deshalb darauf nicht reagieren muss. Wir sind aber der Auffassung, dass jetzt dringend die Binnenkonjunktur durch ein Investitionsprogramm angekurbelt werden müsste. Wir sind immer noch eine Exportnation und produzieren noch fast 300 Milliarden US-Dollar Überschüsse durch den Export. Da sind wir anfällig, und da könnte man mit einer Stärkung der Binnennachfrage gegensteuern. Und wir sehen ja auch, wie groß der Investitionsstau im Bereich der Infrastruktur ist.

Finanzminister Scholz will erst im Fall einer Krise mit Milliarden gegenhalten. Das ist Ihnen also zu spät?
Selbstverständlich ist das zu spät. Die Bundesregierung wartet darauf, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist, um den Rettungsring in den Brunnen zu werfen. Wir sind der Auffassung, dass wir den Brunnen so sichern sollten, dass das Kind gar nicht hineinspringen und deswegen auch nicht ertrinken kann.

Nun sagt die Koalition, dass die vorhandenen Mittel teils gar nicht abfließen können…
Das Hauptproblem ist, dass es an Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit mangelt. Ein Beispiel dafür ist der soziale Wohnungsbau. 2019 fließen 1,5 Milliarden Euro vom Bund, 2020 sollen es nur eine Milliarde Euro sein, ein Drittel weniger. Wenn wir hingegen fünf oder zehn Milliarden investieren würden und dann auch signalisierten, dass diese Mittel für die nächsten Jahre verstetigt werden, könnte die Bauwirtschaft auch größere Kapazitäten schaffen. Die Branche bekommt aber kein Signal, dass sie dauerhaft davon ausgehen kann, die höheren Kapazitäten auch auszulasten, und so fließen die Mittel nicht ab. Genauso könnte man es im Verkehrsbereich machen. Wir wissen ganz genau, dass unsere Brücken in ganz Deutschland marode sind, weil sie alle im selben Jahrzehnt gebaut worden sind und nun alle im selben Jahrzehnt kaputt sind. Auch da ließe sich ein Konjunkturprogramm mit größeren Beträgen für die nächsten Jahre zur Unterstützung der Länder und Kommunen machen.

Das ist dann aber auch eine klare Absage an die Schwarze Null, oder?
Ja! Wir waren als Linke sowieso schon immer der Überzeugung, dass wir uns haushaltsmäßig nicht mit einer Nicht-Verschuldung binden dürfen, weil wir die zukünftigen Aufgaben und Herausforderungen gar nicht kennen. Zweitens haben wir über die nächsten Jahre die Aussicht, mit Minuszinsen Kredite aufzunehmen, um nachhaltige Projekte anzuschieben. Das nicht zu tun, halten wir für falsch. Im Übrigen sind wir ohnehin der Auffassung, dass das Steuersystem mehr als überholt ist. Wir müssen auch die Verteilung der Einkommen durch ein anderes Steuersystem angehen.

Das Parlament,