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Der große Verrat

Im Wortlaut von Ulrich Maurer,

Foto: picture alliance/dpa

 

 

Von Ulrich Maurer, in der 16. Wahlperiode ordentliches Mitglied der vom Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages eingesetzten G10-Kommission zur Kontrolle von Abhörmaßnahmen der deutschen Geheimdienste

Scheibchenweise kommt die Wahrheit ans Licht. Dank der Beweisanträge der LINKEN und Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss wissen wir seit einigen Tagen: Der deutsche „Auslands“-Geheimdienst BND hat im Zusammenwirken mit dem US-amerikanischen Nachrichtendienst NSA europäische Politiker, deutsch-französische Unternehmen und französische Behörden ausspioniert. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung haben die Amerikaner Telefonnummern, E-Mail-Adressen, und andere Suchbergriffe über den BND eingespeist.

Das heißt im Klartext: Der deutsche Geheimdienst hat gegen sein eigenes Land und gegen seinen engsten europäischen Partner, Frankreich, gearbeitet. Somit auch gegen seinen Verfassungsauftrag. Dass die NSA auch Deutschland ausspioniert und sogar das Handy der Kanzlerin, wussten wir schon. Ein ungeheuerlicher Vorgang und eine Straftat (geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik). Wenn sich der BND an diesem Treiben beteiligt hat, ja, auch wenn er es auch nur geduldet hat, ist das Landesverrat.

In jedem Staat der Welt würden solche Taten oder Verdächte schärfste Maßnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft nach sich ziehen. In Deutschland gehen die Uhren anders. Kanzlerin Merkel hat einmal böse geguckt, ein wenig Empörung gezeigt. Das war’s. Und bei den neuen Enthüllungen spricht ein Regierungssprecher vom „organisatorischen Versagen bei einzelnen BND-Abteilungen“.

Deutschland hat nicht eine Regierung wie ein normaler souveräner Staat. Deutschland hat eine Regierung, deren Verhalten gegenüber den USA von Duckmäusertum und Unterwürfigkeit geprägt ist. Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft hätte, liefern ihn die neuesten Offenbarungen über die Rolle des Kanzleramts. Wir lesen in der Zeitung, dass die damaligen Kanzleramtsminister (und Geheimdienstkoordinatoren)  de Maizière und Pofalla von diesen Vorgängen seit 2008 unterrichtet waren. Das würde bedeuten, dass das Kanzleramt diesen Verrat an der eigenen  Nation (und den an der deutsch-französischen Freundschaft) seit Jahren geduldet hat.

Man muss schon grenzenlos gutgläubig sein, wenn man glauben soll, dass die Kanzlerin von all dem nichts gewusst hat.