Zum Hauptinhalt springen

Der Club ist tot, es lebe der Club

Im Wortlaut,

Im Gespräch Marcel Weber, Geschäftsführer des SchwuZ und Vorstandsmitglied der Club Commission

Das Berliner SchwuZ hat eine lange Tradition. 1977 gegründet, damit Deutschlands ältester und bekanntester Club in der queeren Szene? Jetzt ist er seit Mitte März dicht. Mit welchen Folgen?

Wir haben seit dem 13. März keinen Cent Einnahmen mehr. Dabei begann das Jahr gut. Jetzt ist die Mehrheit der Belegschaft in Kurzarbeit und wir haben versucht, unsere Kosten auch durch Mietstundung zu reduzieren. Das traurigste aber, das SchwuZ ist nicht mehr für die Community zugänglich. Künstlerinnen und Künstler können nicht mehr auftreten.

Inzwischen dürfen Cafés und Biergärten wieder öffnen. Wie sieht das für eure Club aus?

Düster. Wir hatten Gesprächen mit Politikern und Politikerinnen, auch auf Bundesebene. Sie haben uns keine Hoffnung gemacht, dass wir in diesem Jahr noch einmal öffnen können. 

Und außerhalb von Berlin, bundesweit? 

Es ist überall sehr existentiell. Nicht nur für uns Betreiber, sondern auch für die Besucher und Besucherinnen. Im SchwuZ und anderen queeren Einrichtungen fühlen sich die Leute gut aufgehoben. Jetzt ist alles dicht. Das ist auch eine potentielle Gefährdung unserer Gäste. So ganz ohne Austausch, ohne direkten Kontakt. Für manche Leute kann das sogar eine lebensbedrohliche Situation sein. Stichwort: häusliche Gewalt, Obdachlosigkeit. Das gilt besonders für queere Refugees.

Gibt es Unterstützung? Habt ihr euch selbst etwas fürs Überleben überlegt?

Ja, eine Spendenaktion. Die brachte bislang etwa 75.000 Euro. Das ist unglaublich toll, so viel Unterstützung aus der Community zu erfahren. Es gibt aber auch Leute, die politisch Druck machen, ihre Abgeordneten ansprechen, um uns, das Thema queeres Leben in der Öffentlichkeit zu halten. Denn die Gefahr, vergessen zu werden, ist groß.  

Wenn Covid-19 länger anhält, könnte der Club das überstehen?

Die Solidarität der Community besteht nicht nur aus Geldspenden, sondern es gibt sehr viele aufmunternde Worte, viele Mails und Nachrichten. Das macht Mut. Die Spenden retten uns jetzt bis Ende Mai. Wir können damit auch unsere geringfügig Beschäftigten und Minijobber voll bezahlen. Das ist insofern wichtig, weil sie ja keinerlei gesetzlichen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Gleichzeitig schlossen wir mit ihnen einen »Pakt für Arbeit«. Das heißt, sie verzichten auf ihre Lohnfortzahlung ab Juni und wir sichern ihnen zu, sie weiterzubeschäftigen, sobald es wieder losgeht. Perspektivisch aber brauchen wir eine langfristige Unterstützung durch das Land, auch durch den Bund. Sonst schaffen wir es nicht, die Kosten zu decken und den Clubbetrieb am Leben zu halten. 

Berlin hat einen linken Kultursenator, Klaus Lederer. Ist das hilfreich für die Sicht eurer  Probleme auf politischer Ebene?  

Natürlich sind wir froh, dass wir mit Klaus Lederer einen Senator haben, der sich wirklich für die Belange der Clubs interessiert. Das Problem: Wir zählen als Club nicht zu den Kultureinrichtungen. Wir sind sogenannte Vergnügungsstätten. Da gibt es zwischen dem Kultursenat und dem Wirtschaftsressort so ein Hin- und Hergeschiebe. Wenn es gut läuft, die Clubs als leuchtendes kulturelles Beispiel gehandelt werden, dann schmücken sich alle damit. Auch wenn es um die Strahlkraft für den Tourismus geht. In schwierigen Situationen allerdings macht sich diese uneindeutige Zuordnung dann bemerkbar. Wir brauchen für die Zukunft eine klare Zuordnung. 

International bekannt wurde Berlin auch durch »United We Stream«. Bis Mitte April kamen darüber 400.000 Euro zusammen. Was passiert mit diesen Einnahmen? 

Von diesen Geldern gehen 8 Prozent an die Seenotrettung/Seebrücke. Das SchwuZ spendet 15 Prozent an ein queeres Projekt, das sich auf Lesbos um queere Geflüchtete kümmert. Dann gibt es einen Pool mit 20 Prozent Finanzen, die an diejenigen gezahlt werden, die bislang schon gestreamt haben - also an die DJs. Das klingt jetzt viel, ist aber ist nicht mehr als eine Aufwandsentschädigung. Außerdem können sich Clubs bewerben, um aus diesem Topf Unterstützung für ihre fälligen Monatsmieten zu erhalten. Eine Jury entscheidet über die Anträge. Und die Hoffnung ist, dass die Clubs mit diesen Geldern diese komplizierte Zeit überbrücken können.   

Was brennt dir selbst unter den Nägeln? 

Die wichtigste Botschaft der letzten Wochen ist doch, lebendige Solidarität lohnt sich. Wir unterstützen uns gegenseitig. Das ist etwas, was wir in die Zukunft transferieren sollten. Auch das Überlegen, was ist wirklich sinnvoll und wichtig! Autos? Kaufprämie? Oder sind es nicht doch auch soziale Orte, Kultureinrichtungen wie eben auch unsere Clubs? Dann muss die Liegenschaftspolitik so verändert werden, dass keine sozio-kulturelle Einrichtungen in Angst leben muss, gekündigt zu werden. Die Krise jetzt ist auch eine Chance. Wir können hinterfragen, ob wir etliches, was nicht so gut läuft, durch besseres ersetzen wollen.

Das Gespräch führte Bodo Niendel