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Den sozial-ökologischen Umbau ermöglichen

Interview der Woche von Ulla Lötzer, Cornelia Möhring,

Ulla Lötzer, wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, und Cornelia Möhring, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, sprechen im Interview der Woche über den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern im Vorfeld der Plan B-Konferenz, die Ziele des Projekt, die Notwendigkeit des sozial-ökologischen Wachstums und warum dieser nicht von oben verordnet werden kann


Am Freitag beginnt die Plan B-Konferenz, Untertitel "Das rote Projekt für den sozial-ökologischen Umbau". Was ist das Ziel des Projekts?

Ulla Lötzer: Wir wollen gemeinsam mit allen Interessierten Wege für einen sozial-ökologischen Umbau entwickeln. Er kann nur dann gelingen, wenn er als soziales und demokratisches Erneuerungsprojekt angelegt ist. Wir erleben ganz aktuell bei der Kampagne gegen das EEG den Kampf gegen eine dezentrale Energieversorgung, die in den Händen vieler Bürgerinnen und Bürger liegt, anstatt die Profite in die Kassen der Energiekonzerne zu spülen. Deshalb dürfen Wirtschaft und Gesellschaft, Macht- und Eigentumsverhältnisse nicht bleiben, wie sie sind, wenn der notwendige ökologische Umbau möglich werden soll.

Im Vorfeld der Konferenz konnten sich Bürgerinnen und Bürger sich auf der Website plan-b-mitmachen.de beteiligen oder die Plan B-Tour besuchen. Wie gestaltete sich der Dialog und welche Erkenntnisse haben Sie dadurch gewonnen?

Cornelia Möhring: Eine Debatte im Blogformat zu eröffnen, war für ein Projekt der Bundestagsfraktion Neuland. Gefreut hat uns sofort, dass Interessentinnen und Neugierige nicht nur die Frage der Woche diskutierten, sondern auch das Plan-B-Debattenpapier auseinandernahmen und uns mit Hinweisen, Debatten zur Energieeffizienz, zu sozialen Aspekten oder zur politischen Reichweite unserer vielen Vorschläge konfrontierten. Wir haben alle Kommentare, die bei Einzelfragen in der Spitze bei 71 Wortmeldungen lagen, detailliert ausgewertet. Ihre Anregungen fließen damit, genau wie die Konferenzergebnisse, in erste
Überlegungen – wie weiter mit dem Plan B? – ein.

Was beschäftigt die Bürgerinnen und Bürger vor allem, wenn es um den sozial-ökologischen Umbau geht?

Ulla Lötzer: Veränderungen führen immer zu Ängsten um Arbeitsplatz- und Wohlstandsverlust. Umgekehrt ist jedoch sicher: Wenn wir so weiter machen wie bisher, wird nicht nur die Umweltzerstörung weiter gehen, sondern auch der Abbau industrieller Arbeitsplätze und die soziale Ausgrenzung von immer mehr Menschen. Wichtig für uns ist – und so ist auch das Projekt angelegt –, dass eine tief greifende Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft nicht von oben verordnet werden kann. Wir alle müssen uns an den Diskussionen und Entscheidungen, die unser Leben verändern werden, selbst aktiv und wirkungsvoll beteiligen können.

Das Konferenzprogramm spannt einen weiten Bogen. Die Themen reichen vom "globalen Süden" über "Wochen- statt Weltmarkt" bis hin zu konkreten Projekten oder der Frage nach Geschlechtergerechtigkeit. Wo finden sich die Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger wieder? Und kann jede und jeder einfach kommen?

Cornelia Möhring: Grundsätzlich kann jede und jeder sich zur Konferenz anmelden. Wir gehen davon aus, dass sie trotzdem zuerst Multiplikatorinnen aus Umweltverbänden, Energieexperten, Rekommunalisierungs- und Umweltintiativen anspricht. Doch unser gesellschaftspolitischer Zugang ruft auch die Sichtweisen von ausgemachten Sozialpolitikerinnen, Demokratietheoretikern und Feministinnen, von Erzieherinnen und Pendlern auf den Plan. Warum? Der sozial-ökologische Umbau ist ein umfassendes Transformationsangebot, in dessen Zentrum ein gutes Leben für alle steht, für alle Geschlechter, für Nord und Süd. Akzeptanz für einen nachhaltigen, also auch behutsamen und ressourcenschonenden Umgang mit uns und der Natur entwickeln wir nur in einem breiten gesellschaftlichen Dialog. Ich wünsche mir natürlich auch, dass viele aktive Parteimitglieder das Angebot nutzen.

Worauf sind Sie bei der Konferenz besonders neugierig?

Ulla Lötzer: Wie sehr es gelingt, dass die Teilnehmenden aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen miteinander ins Gespräch kommen. Bei einer PLAN B-Veranstaltung in Köln kamen die Vertreter des DGB und des BUND nach einer Diskussion überein, dass es nicht nur um die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Branche der Erneuerbaren Energien gehen muss, sondern auch um Qualität und tarifliche Bezahlung. Wenn es gelingt, die unterschiedlichen Interessen und Sichtweisen aus verschiedenen Bereichen zusammenzuführen und zu einem guten Kompromiss zu bringen, halte ich das für einen Erfolg!

Viele Menschen verbinden mit dem Begriff von Wachstum allen gegenwärtigen Krisen zum Trotz auch die Hoffnung auf Wohlstand. Plan B stellt das herkömmliche Wachstumsmodell infrage. Erfordert der ökologische Umbau den Verzicht auf Wachstum und damit auf Wohlstand? Oder ist auch "soziales Wachstum" möglich?

Ulla Lötzer: Die Gleichung Wachstum = Wohlstand funktioniert schon lange nicht mehr. Seit Jahrzehnten erleben wir in den Industrieländern relativ geringe oder gar sinkende Wachstumsraten. Und selbst wenn das Bruttoinlandsprodukt steigt, führt dies nicht mehr zu mehr Wohlstand bei der Mehrheit der Gesellschaft, sondern nur noch bei einer kleinen Elite. Wenn wir eine soziale und ökologische Gesellschaft wollen, dürfen wir uns deshalb nicht an der Wachstumsfrage orientieren, sondern an Entwicklungszielen für soziale und ökologische Nachhaltigkeit.

Wie kann der ökologische Umbau sozial gestaltet werden, wenn die Menschen in Europa gerade einen ganz anderen Umbau erleben, nämlich einen unsozialen, für den die Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten das einzige Argument ist?

Cornelia Möhring: Die rasanten Wandlungsprozesse bewegen sich nicht immer nur in eine Richtung. Energiegenossenschaften, Wasserinitiativen, Sozialtickets im Nahverkehr, bessere Beteiligungsprozesse bei regionalen Infrastrukturmaßnahmen – es gibt lokal genug Ansätze für einen sozial-ökologischen Umbau und damit viele Anknüpfungspunkte bei lokalen Akteuren. Zum anderen können wir nicht übersehen, dass das Exportmodell Deutschland verbunden mit Merkels Krisen-Spardiktat keine Lösung darstellt, um solidarische Wirtschafts- und Gesellschaftspfade einzuschlagen. Sozialproteste in Athen, Demokratiebewegungen in Spanien, viele Menschen in Europa wehren sich gegen diesen rückwärtsgewandten Kurs, indem weder ökologische Nachhaltigkeit noch sozialer Ausgleich wesentlich sind und Demokratie stetig abgebaut wird.

Wie sehen Sie vor dem Hintergrund der Eurokrise die Situation? Welche gesellschaftlichen Kräfte können und müssen mobilisiert werden, damit ein sozial-ökologischer Umbau der Gesellschaft eine Chance hat?

Ulla Lötzer: Milliardenschwere Entscheidungen dürfen nicht länger in Nachtsitzungen und Hinterzimmern, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vorbei an den Parlamenten gefällt werden. Eine Demokratisierung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist überfällig. Wir müssen alle mobilisieren, die sehen, dass sich die Gesellschaft ändern muss, sei es aus ökologischen oder sozialen Beweggründen. Wir müssen diese Kräfte zusammenbringen und deutlich machen, dass es sich um zwei Seiten der gleichen Medaille handelt und dass eine gerechte und ökologische Gesellschaft nur gemeinsam erreicht werden kann.

Wie geht es mit Plan B nach der Konferenz weiter?

Cornelia Möhring: Es ist ja schon deutlich geworden, der Stoff geht uns bestimmt nicht aus. Mit Details, wie wir uns eine soziale Energiewende vorstellen, haben wir bereits angefangen, das Plan B Projekt vom Denkanstoß in Politik zu verwandeln. Wir haben schon bei der Erarbeitung auf politische Ideen vieler Aktiver und Verbände zurückgegriffen. Doch jetzt haben wir die Verantwortung, viele der bisherigen offenen Fragen zu entscheiden und tatsächlich auf Bundesebene parlamentarisch initiativ zu werden, sodass der Plan B dort, wo er letztlich verwirklicht werden kann, in den Ländern und Kommunen, bessere Rahmenbedingungen vorfindet. Aus dem ganzen Plan B werden wir natürlich Schwerpunkte für unser Bundestagswahlprogramm herausgreifen, um die politischen Auseinandersetzungen ein Stück weiter zu bewegen. Die Energiepreise, die Gebäudesanierung und die Mieten, eine gerechte Steuergesetzgebung, aber auch zum Beispiel gute Arbeitsbedingungen für Selbstständige und mittlere Betriebe müssen uns beschäftigen. Denn Rahmenbedingungen für regionales Wirtschaften bekommen mit dem sozial-ökologischen Umbau eine völlig neue Bedeutung.

linksfraktion.de, 23. Oktober 2012