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Ein Mitarbeiter des Bundestages hält eine Abstimmungsurne im Plenarsaal © Michael Gottschalk/dapdFoto: Michael Gottschalk/dapd

Demokratische Kontrolle auch in der Pandemie

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Die Linksfraktion stimmt am 18. November 2020 geschlossen gegen das #Infektionsschutzgesetz der Bundesregierung und hat dazu den Antrag „Demokratische Kontrolle auch in der Pandemie" [PDF] gestellt.

Die Bekämpfung der Corona-Epidemie macht schwierige Abwägungen notwendig. Länder wie Frankreich und Belgien kämpfen aktuell wieder mit hohen Neuinfektionszahlen und haben wegen der überforderten Gesundheitssysteme die deutsche Regierung um Hilfe gebeten. Entscheidungen, dass etwa Menschen ab einem bestimmten Alter nicht mehr intensivmedizinisch behandelt werden, werden bereits heute in vielen Ländern wegen der fehlenden Behandlungskapazitäten getroffen. Das wollen wir in Deutschland unbedingt vermeiden. Wir haben gesehen: Auch in Deutschland können die Infektionszahlen sehr schnell in einen Bereich steigen, in dem eine Überlastung des Gesundheitssystems wenige Wochen danach vorprogrammiert ist. Die Phase im Sommer, in denen relativ wenige Übertragungen stattgefunden haben und diese vor allem jüngere Menschen mit geringem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf betrafen, ist vorbei.

Bei aller Notwendigkeit die Epidemie einzudämmen, müssen und können jedoch rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien gewahrt werden. Es darf nicht sein, dass der demokratische Diskurs weiterhin durch die Regierungspolitik ausgehebelt wird. Die notwendigen Maßnahmen brauchen den konstruktiven Meinungsstreit, die unterschiedliche Perspektiven. Der Platz dafür ist in den Parlamenten, die am besten durch die gewählten Fraktionen als Spiegelbild der Gesellschaft gelten können. Zudem sind die Parlamente als Gesetzgeber auch die Einzigen, die tiefe Grundrechtseingriffe und ethische Fragestellungen für die Bevölkerung regeln dürfen (siehe Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts). Die Kontrolle der Infektionszahlen und damit auch die Vorbeugung einer Überlastung des Gesundheitssystems lebt von der Akzeptanz in der Bevölkerung und diese darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.

DIE LINKE fordert daher im Bundestag, dass die Bundesregierung eine längerfristige Strategie zum Umgang mit der Corona-Pandemie vorlegt und diese vom Bundestag ggf. geändert und beschlossen wird. Wir fordern eine Evaluation, die neben der Wirksamkeit im Sinne des Infektionsschutzes auch die Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft, die Verhältnismäßigkeit aller Maßnahmen und nicht zuletzt auch die soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit der Hilfspakete umfasst. Wir fordern dafür eine Evaluationswoche, in der für alle Bereiche der Gesellschaft die Folgewirkungen der Epidemie, der Infektionsschutzmaßnahmen und der Hilfsmaßnahmen diskutiert werden. Wo sinnvoll, sollte das auch mit öffentlichen Anhörungen mit Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtung und mit unterschiedlichen fachlichen Einschätzungen erfolgen.

Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ist primär nicht eine symbolische Entscheidung. Sie ermöglicht dem Gesundheitsministerium schnelle Gegenmaßnahmen z.B. für den Fall, dass Schutzmaterial oder Behandlungskapazitäten knapp werden. Sie macht es möglich, schnell Behandlungskapazitäten in den Krankenhäusern freizumachen, wenn das notwendig werden sollte. Das sind nach unserer Auffassung sinnvolle Gegenmaßnahmen, die im Epidemiefall schnell ergriffen werden müssen. Die nicht vorhersagbare und äußerst dynamische Entwicklung im März 2020 ließen schnelle Entscheidungen notwendig werden. Unter anderem auf Druck der Bundestagsfraktion DIE LINKE wurde der Parlamentsvorbehalt für die Feststellung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite" und die automatische Befristung aller darauf beruhenden Ver- und Anordnungen bei der Regelung eingefügt. Die problematische Regelung wurde damit entschärft, ihre Geltung bedeutet aber immer noch ein Ausnahmezustand, der grundsätzlich besser früher als später beendet wird.