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Foto: Rico Prauss

Demokraten, nicht Verräter

Kolumne von Dietmar Bartsch,

 

Von Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Zur Demokratie gehört der freie Diskurs, wie das Wasser zum Schwimmbad. Ohne Wasser wäre das Schwimmbecken zwar seiner Funktion nach immer noch eines, nur eben ohne Sinn, ziemlich rau und karg.

Eine Demokratie ohne freien Diskurs, Transparenz und Informationsfreiheit ist eben keine, selbst wenn der Bürger formal weiterhin die Möglichkeit hat, in Wahlen seinen Willen zum Ausdruck zu bringen. Es geht eben auch immer um die Frage, auf welcher (Informations-)Grundlage Entscheidungen getroffen werden.

Wie aber soll man sich eine (politische) Meinung bilden, wenn man gar nicht in die Lage versetzt wird, sich ein umfassendes Bild zu machen? Wie sollen die Bürger in Deutschland und Europa etwa zu einer Haltung über das geplante Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der Europäischen Union (EU) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) kommen, wenn ihnen bereits der Inhalt der Verhandlungen vorenthalten wird? Selbst den gewählten Volksvertreter*innen, den Bundestags-, Landtags- und Europaabgeordneten werden notwendige Informationen über das geplante Abkommen vorenthalten.

In der vergangenen Woche nun hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace Teile der Verhandlungsdokumente öffentlich gemacht. Die brisanten Papieren wurden "geleakt", wie es heute neudeutsch heißt. Konzernvertreter, Regierungsmitglieder und Verhandlungsdelegationen auf beiden Seiten des großen Teichs sind empört. Wir, von der LINKEN, sind es auch. Allerdings nicht über das Veröffentlichen von Dokumenten, sondern vom Inhalt dieser.

Sogenannte Whistleblower stärken und schützen Demokratien. Ihre Arbeit und Informationsfreigabe wäre aber nicht notwendig, wenn es umfassende Transparenz auch in unserem Land gäbe.

Durch Whistleblower wissen wir heute von den zweifelhaften Geschäften mit "Offshore-Firmen" in Panama. Durch sie wissen wir von Gesetzesüberschreitungen von Geheimdiensten, beispielsweise bei der beinahe lückenlosen Überwachung von Telekommunikationsdaten. Durch Whistleblower wissen wir von krummen Geschäften der Banken in Luxemburg und der Verwicklung der Politik in diese. Durch sie wissen wir, was bei den Verhandlungen zwischen der sogenannten Troika mit der Linksregierung in Griechenland wirklich an Erpressungsstrategien entwickelt und gefahren wurde.

Durch Whistleblower ist das demokratische System, auf das sich westliche Politiker immer wieder stolz beziehen, demokratischer geworden. Whistleblower sind Demokraten und keine Verräter. Deshalb sagen wir von der LINKEN auch: Wer auf Missstände und Grundrechtsverletzungen hinweist, verdient Schutz, nicht Bestrafung. Kritische Medien, die über das globale Ausspionieren der Geheimdienste berichten, begehen eben keinen Landesverrat, sondern machen sich um die Demokratie verdient.

Deshalb fordert DIE LINKE im Bundestag seit langem schon ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern und eine Anlaufstelle für alle jene, die auf Missstände aufmerksam machen wollen. Das macht u.a. den Unterschied zu den Regierungsparteien CDU/CSU und SPD aus, die lieber Demokraten verfolgen, gegen Journalisten Staatsanwälte in die Spur schicken, statt sich endlich um die demokratischen Errungenschaften unserer Zeit verdient zu machen. Sie seien daran erinnert: Die Bevölkerung ist der Souverän! Nicht Regierungen, Politiker und Konzerne.

linksfraktion.de, 6. Mai 2016