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Demokraten müssen gegen Rechtspopulismus aufstehen

Im Wortlaut von Ulrich Maurer,

Ulrich Maurer, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, zu den Anschlägen in Norwegen und zu Rechtspopulismus in der Mitte der Gesellschaft

73 Menschen sind bei den beiden Anschlägen am Freitag in Norwegen ums Leben gekommen. Einige Medien machen aus dem Attentäter ein Monster oder einen manischen Einzelttäter. Sehen Sie das auch so?

Ulrich Maurer: Eine solche Planung bedarf langer Vorarbeit. Sie kann nicht als die Tat eines Monsters oder gar manischen Einzeltäters angesehen werden. Der Wegbereiter für eine solche Tat ist vielschichtig und liegt zum größten Teil auf dem ausuferndem Rechtspopulismus, der in ganz Europa um sich greift und so salonfähig wird.
 
Der mutmaßliche Täter soll ein Manifest verfasst haben, in dem er sich ein krudes Weltbild zusammengebastelt hat. Er lehnt Demokratie, offene Gesellschaft, linksliberale Orientierung und die multikulturelle Gesellschaft ab und predigt Nationalismus, Rassismus und Antiislamismus. Wie bewerten Sie das?

Das sogenannte Manifest umfasst um die 1500 Seiten. Inhalt ist unter anderem die Rettung Europas vor dem Marxismus, Multikulturalismus und Islamismus. Eben genau darauf baut der heutige Rechtspopulismus. Es darf nicht mehr einfach hingenommen werden, wenn in der Öffentlichkeit sorglos über Bevölkerungsgruppen und –schichten hergezogen wird. DIE LINKE im Bundestag geht deswegen auch in der Sommerpause auf die Straße, um vor Ort Gesicht gegen Rechtspopulismus und Rechtsterrorismus zu zeigen. Nationalismus, Rassismus und Antiislamismus haben in Deutschland nichts zu suchen.

In Deutschland erreichte der Rechtspopulismus in Form der Thesen des Thilo Sarrazin als bekanntestes Beispiel die Mitte der Gesellschaft. Warum scheint es gegenwärtig so leicht, mit dem Schüren von Ressentiments die Menschen zu erreichen?

Die Bevölkerung ist durch die Finanzkrise nachhaltig verunsichert. Politiker versprechen vor Wahlen Dinge, die sie nach den Wahlen nicht halten. Dies führt zu weiterer Verunsicherung und einer Ohnmacht der Wähler gegenüber ihren gewählten Volksvertretern. Diese Unsicherheit nutzen Rechtspopulisten, wie Thilo Sarrazin aus. Nicht um wirklich gesellschaftlich relevante Dinge anzusprechen, sondern um den Marktwert ihrer Bücher zu steigern. Um so verächtlicher ist ihr Handeln. Eine Gefahr, der sich die SPD offenkundig nicht im geringsten bewusst ist.

Leistet die Politik dem Vorschub?

Die Politik zieht sich aus der Verantwortung und wundert sich hinterher, wie so etwas nur geschehen konnte. Sie schließt aus Geldmangel Jugendzentren und dreht Bewegungen gegen Rechtspopulismus den Geldhahn zu. Aber auch die SPD sieht sich nur als Zuschauer, wenn sie nicht willens und fähig ist, Rechtspopulisten wie Herrn Sarrazin aus ihrer Partei auszuschließen.

Der Ruf nach Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen ist meist der erste Reflex auf Anschläge. Auch in Deutschland fordert die Union jetzt wieder die Vorratsdatenspeicherung. Kann uns das vor solchen Anschlägen schützen, oder wie sonst müssen Politik und Gesellschaft auf Anschläge von Rechtsextremisten reagieren?

Nach norwegischen Behördeninformationen fiel der Attentäter nie auf, und er wäre auch unter der Vorratsdatenspeicherung weggetaucht. Ein solche Forderung zeigt nur die Hilflosigkeit derjenigen auf, die solchen Reflexen unterliegen. Insbesondere in Deutschland ist es, nachdem die letzten Zeitzeugen der NS-Diktatur sterben, wichtig aufzuklären. DIE LINKE unterstützt durch ihre Aktionen und Gesetzesanträge Organisationen und Verbände, die genau dort vor Ort ansetzen und aufzeigen, was passiert, wenn man einmal zu oft weghört. Rechtspopulismus ebnet den Weg für ein Attentat, wie jetzt in Oslo geschehen. Dagegen muss jeder Demokrat aufstehen und sich erheben. DIE LINKE im Bundestag tut dies jedenfalls.

linksfraktion.de, 25. Juli 2011