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»Das ist ein unsittliches Angebot!«

Im Wortlaut von Hubertus Zdebel,

 

Vergangene Woche berichtete der »Spiegel«, dass die drei großen Energiekonzerne E-on, EnBW und RWE vorgeschlagen hätten, die Stilllegung und den Abriss ihrer Atomkraftwerke über eine öffentlich-rechtliche Stiftung abzuwickeln. Sie selbst seien bereit, dafür etwa 36 Milliarden Euro Rückstellungen zur Verfügung zu stellen. Den Rest der Kosten müsste dann der Staat, also der Steuerzahler, aufbringen. Und der "Rest" ist eine riesige Summe, denn die Folgekosten sind immens. Die Bundesregierung muss sich heute der Nachfrage unseres atompolitischen Sprechers Hubertus Zdebel dazu stellen. Bundestag.de veröffentlichte vorab ein Interview mit ihm, das wir hier wiedergeben dürfen:

 

Herr Zdebel, ginge es nach den Vorstellungen der Energiekonzerne, würde der deutsche Staat künftig allein für die Abwicklung von Atomkraftwerken sowie die Endlagerung des radioaktiven Mülls haften. Was sagen Sie zu diesem Vorschlag?

Das ist ein unsittliches Angebot! Getreu dem Motto ‚Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert‘ wollen sich die Energiekonzerne billig aus der Verantwortung für die von ihnen verursachten Atommüll-Folgeschäden stehlen. Jahrelang haben sie Gewinne erwirtschaftet, jetzt soll der Staat die Lasten der Abwicklung tragen. Das geht nicht! Vor allem, weil zu befürchten ist, dass die Kosten für die Entsorgung des Atommülls und den Abriss der Meiler wesentlich höher sein werden als die bisher von den Konzernen gebildeten Rückstellungen in Höhe von etwa 36 Milliarden. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft rechnet zum Beispiel mit 44 Milliarden Euro. Tendenz steigend, denn allein die Endlagersuche wird teurer als erwartet, die Bergung des Atommülls aus dem Salzstock Asse auch. Völlig klar also, dass sich die Atomkonzerne mit der Stiftungslösung einen schlanken Fuß machen wollen.

Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) haben jedoch erklärt, dass ihnen offiziell ein solcher Vorschlag nicht unterbreitet wurde. Abgesehen davon sei eine Abwälzung der Kosten mit ihnen nicht machbar. Reicht Ihnen diese Aussage nicht, oder warum haken Sie nun nach?

Zunächst möchte ich wissen, ob die "Spiegel"-Meldung überhaupt richtig ist, wonach die Bundesregierung in Grundzügen über den Vorschlag einer Atomstiftung informiert ist. Sie selbst hat sich ja nicht ganz klar geäußert: Umweltministerium und Wirtschaftsministerium haben zwar direkt erklärt, dass ihnen der Vorschlag nicht vorliege, doch Regierungssprecher Seibert sprach davon, dass es „keine Beschlüsse“ gebe. Natürlich möchte ich außerdem von der Regierung hören, wie genau der Vorschlag der Atomkonzerne bezüglich der Rückstellungen aussieht – zumal aktuell das „Handelsblatt“ berichtet, dass sich der vierte große Energiekonzern, Vattenfall, durch eine Umstrukturierung bereits teilweise der Haftung für seine deutschen Atomkraftwerke entzogen haben soll.

Fürchten Sie, dass sich die Regierung auf einen Kompromiss einlässt, so wie es EU-Energiekommissar Oettinger (CDU) angedeutet hat? Der Bund übernimmt die Atomkraftwerke, die Energiekonzerne lassen dafür ihre Verfassungsklage gegen die Energiewende fallen.

Ja, einen solchen Kuhhandel halte ich durchaus für möglich. Die Bundesregierungen sind in der Vergangenheit stets den Konzernen entgegen gekommen. Einverstanden wären wir als Linke damit natürlich überhaupt nicht. Aus unserer Sicht muss das Verursacherprinzip gelten. Dafür müssten aber sofort die Rückstellungen gesichert werden. Das ist bis jetzt nicht der Fall. Die Gelder liegen nicht einmal liquide vor, sondern wurden von den Konzernen investiert.

Daher mehren sich die Stimmen derer, die der Stiftungslösung etwas abgewinnen können. Für den Insolvenzfall, so ihr Argument, wären die Rückstellungen gesichert. Sie hingegen fordern von der Bundesregierung ein Gesetz zur Überführung der Rücklagen in einen Fonds. Warum?

Käme es zu einer Stiftung, in der Form, wie sie jetzt diskutiert wird, dann müsste der Staat bis auf die Rückstellungssumme voll für die aller Wahrscheinlichkeit sehr viel höheren Kosten des Rückbaus und der Endlagerung haften. Ein öffentlich-rechtlicher Fonds hingegen würde die Rücklagen vor Spekulation oder Insolvenz schützen – und ganz wichtig: Die Konzerne blieben weiterhin in der Haftung für die Mehrkosten.

bundestag.de, 21. Mai 2014