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Das EEG wird gefleddert

Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter,

 

 

Von Eva Bulling-Schröter, energie- und klimapolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE

  Die Atomkatastrophe von Fukushima veranlasste die damalige schwarz-gelbe Merkel-Regierung zum endgültigen Atomausstieg mit Enddatum 2022. Gab dies den Antrieb für eine ambitioniertere Energiewendepolitik?

Eva Bulling-Schröter: Das hätte man eigentlich erwartet, aber es kam anders. Bereits mit der Reform des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) 2012 wurde die Bremse angezogen, und der restriktive Kurs setzte sich 2014 fort. Es ist eigentlich paradox: Wenn wir heute zurückblicken, dann sind die Jahre des größten Zuwachses erneuerbarer Energien vor 2011, also vor dem Fukushima-getriebenen Atomausstieg. Anstatt die Energiewende zu forcieren, wurde eine unsägliche Kampagne gegen die angeblich hohen Kosten der Erneuerbaren Energien gefahren. In Wahrheit sind Wind an Land und Photovoltaik seither sehr viel kostengünstiger geworden. Gleichzeitig war das Ziel, die deutsche energieintensive Industrie von den Kosten der Erneuerbaren auszusparen.

Es ist doch ein großer Erfolg, dass heute jede dritte Kilowattstunde Strom erneuerbar erzeugt wird. Das könnte kaum das Ergebnis sein, wenn der Ausbau nur mit Handbremse vorankommen würde…

Eva Bulling-Schröter: Merkels Energiewende war aber eben auch eine Wende zur Kohleverstromung, die den Rückgang des Atomstroms mehr als kompensiert hat. Mantraartig wurde das Bekenntnis ausgegeben, ein Ausstieg aus Atom und Kohle sei nicht gleichzeitig möglich – das ist natürlich Unsinn. Dass die Erneuerbaren im Strombereich trotzdem stetig wachsen, ist eher nicht der Merkelschen Politik zu verdanken, sondern dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das schon im Jahr 2000 auf den Weg gebracht worden war. Das EEG wird seit 2012 gefleddert bis dahin, dass es jetzt mehr oder weniger ganz abgeschafft wird. Der Systemwechsel in der Förderung von einer Einspeisevergütung zu Ausschreibungen bedeutet im Grunde die Abschaffung des Gesetzes. Es ist eine stückweise Rücknahme des „Wildwuchses“ der Erneuerbaren.

Was bedeutet dieser Systemwechsel für die Energiewende?

Eva Bulling-Schröter: Die einstige Energiewende von unten hat dafür gesorgt, dass das Oligopol der großen vier Energiekonzerne ins Wanken geriet. Doch das könnte sich als Zwischenspiel erweisen. Jetzt könnte die Energiewende doch wieder von oben übernommen werden und die ansatzweise dezentrale Energiewende wieder wachsenden Großstrukturen weichen. Dafür steht das EEG 2016. Dieser Wechsel wurde aber schon im EEG 2014 eingeleitet.  Hintergrund ist, dass die großen Energiekonzerne natürlich haben Federn lassen müssen und unter Druck geraten sind. Sie waren es lange gewohnt, mit fossil-atomarer Energie Geld zu drucken. Das ist jetzt nicht mehr so leicht. Jetzt soll großen Investoren wieder das Feld überlassen werden und die kleinen kommunalen Erzeuger und die Bürgerenergie in ein Nischendasein verschwinden. Wir LINKE kritisieren diese politische Kehrtwende scharf.   

Ist fünf Jahre nach Fukushima der Kampf gegen die Atomkraft jetzt einem Kampf gegen die Kohle gewichen?

Eva Bulling-Schröter: Sicherlich, wir haben es ja mit den gleichen Gegnern zu tun: RWE und Konsorten. Einstige AtomkraftgegnerInnen gehen heute gegen die Kohle auf die Straße, allerdings sind es nicht mehr Hunderttausende wie auf der großen Energiewende-Demo 2010. Einige Anti-Atomkraft-Veteranen bleiben offenbar doch zu Hause, was schade ist, denn die Bedrohung durch die Klimaerwärmung halte ich für ähnlich schwerwiegend wie die durch die Atomenergie. Wir brauchen dringend einen geordneten Ausstieg aus der Kohle. Ich hoffe, dass hier nun nach den Beschlüssen von Paris die Debatte um die Dekarbonisierung im Kohlesektor endlich an Fahrt aufnimmt. DIE LINKE bringt nun bereits zum vierten Mal einen Antrag zum Kohleausstieg in den Bundestag ein. Aber vor allem muss die Debatte mit den Menschen geführt werden, die vom Strukturwandel in den Regionen betroffen sind. Je früher wir damit anfangen, desto besser für alle.

 

linksfraktion.de, 8. März 2016