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Danke, Gregor - für alles!

Kolumne von Bodo Ramelow,

 

Von Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaates Thüringen


Wenn sich die Linksfraktion im Bundestag am Dienstagnachmittag neue Vorsitzende wählt, dann endet damit eine Ära. Gregor Gysi zieht sich aus der ersten Reihe der Fraktion zurück. Er verlässt damit – und da muss man als Linker erstmal hinkommen – auch die erste Reihe der bundesdeutschen Politik insgesamt. Wenn wir uns Politik als einen Staffellauf über Marathondistanzen vorstellen, dann lässt sich festhalten: Hier wird nach einem langen und harten Rennen ein Staffelstab in sehr aussichtsreicher Position übergeben. Noch bevor man dem ankommenden Läufer für seine Leistung dankt, möchte man denen, die den Stab nun übernehmen, mit aller Kraft hinterherrufen: Macht was draus!

Das Zurufen an die Neuen werden viele andere ausführlich übernehmen. Ich möchte heute Danke sagen. Danke, Gregor, dass Du mit Deinem Verständnis von Politik und Deiner Art, auf die Menschen zuzugehen, Wege geebnet hast, die es ohne Dich nicht geben würde. Da ich gerade auf einem dieser Wege unterwegs bin, weiß ich sehr genau, wovon ich rede.

Wenn jemand so lange erfolgreich Politik betrieben hat wie Gregor Gysi, dann hängt das zweifellos mit einer Reihe von Talenten zusammen. Vielen Leuten fällt da jetzt sicher zuerst das Redetalent ein, Gregors perfekter Sinn für Rhetorik. Dabei geht es aber gar nicht ums Schönreden. Es geht ums Erklären - darum, ehrlich zu sagen, was ist. Und zwar so, dass es möglichst viele Menschen verstehen, auch wenn sie sich nicht den ganzen Tag mit Politik beschäftigen, sondern weil sie damit ausgelastet sind, mit einem oder mehreren Jobs über die Runden zu kommen. Dass diejenigen, die aus unterschiedlichsten Gründen eigentlich nicht viel mit Politik am Hut haben, trotzdem nicht von politischen Prozessen ausgeschlossen werden, erreicht man nur mit verständlicher Sprache. Insofern sind auch Gregor Gysis Worte häufig schon Politik und als solche nicht zu unterschätzen. Auch in Zukunft nicht. Und was zu den Talenten natürlich auch zählt: Als Fraktionsvorsitzender den ganzen Laden zusammenzuhalten, in dem viele kluge Köpfe mit großer Leidenschaft um die besten Idee streiten, funktioniert auch nicht ohne eine gewisse psychologische Begabung.

Die Kernidee der Politik von Gregor Gysi ist immer die soziale Frage. Wie schaffen wir gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen? Was müssen wir tun, damit wirklich jede und jeder in diesem Land in Würde leben kann? Der Ausgangspunkt für jegliche Antwort auf diese Fragen kann nur der Respekt vor jedem Einzelnen sein. Und dieser Respekt ist tief in Gregor Gysi verwurzelt. Es ist ihm egal, wer ihm gegenüber steht, denn er respektiert jeden Menschen mit seiner eigenen Geschichte – egal ob es ein millionenschwerer Manager, eine Supermarktkassiererin oder ein Obdachloser ist. Das Menschsein zählt.

Es macht mich stolz, dass wir ein gutes Stück unseres politischen Lebens zusammengegangen sind. Ich habe Gregor vier Jahre im Bundestag aus nächster Nähe erleben dürfen, er war unzählige Male in Thüringen zu Gast. Am 5. Dezember des letzten Jahres saß er auf der Besuchertribüne des Thüringer Landtags und hat gemeinsam mit meiner Familie die Daumen gedrückt für eine erfolgreiche Ministerpräsidenten-Wahl. Sie war erfolgreich, und dass es soweit gekommen ist, liegt wesentlich auch an ihm. Es gäbe viel mehr zu schreiben, aber für heute reicht vielleicht das Wichtigste: Danke, Gregor - für alles!