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Countdown für Online-Durchsuchungen

Im Wortlaut von Petra Pau,

Schäuble dringt auf Einsatz von »Bundestrojanern« / Bundestag verbot Sicherheitssoftware

Per Kabinettsbeschluss will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble noch vor der Sommerpause ein Gesetz zur Legalisierung heimlicher Online-Durchsuchungen von Computern auf den Weg bringen. Im Bundeskriminalamt gibt es dazu ein Entwicklungsprojekt. Und Ende Mai beschloss der Bundestag eine Strafrechtsänderung, die zur Aufdeckung von »Bundestrojanern« geeignete Software verbietet.

Nach der Methode »Steter Tropfen höhlt den Stein« drängt Schäuble immer wieder darauf, schnell eine gesetzliche Grundlagen für das offenbar bereits praktizierte Hacking ander Leute Computer durch Bundeskriminalamt und Geheimdienst durch den Bundestag zu bringen. »Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein«, sagte er am Wochenende in einem Zeitungsinterview, »schlage ich vor, für die Online-Durchsuchungen das Grundgesetz zu ändern.«

Dem Minister ist wohl bewusst, dass die von seinem Staatssekretär Peter Altmaier auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Wolfgang Wieland genannten »Rechtsgrundlagen« für derartige »heimliche Informationserhebungen« durch Bundesamt für Verfassungsschutz, MAD und BND fragwürdig sind. Und da der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum Verfassungsbeschwerde gegen eine derartige Ermächtigung für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz eingelegt hat, hofft er womöglich, ein Urteil aus Karlsruhe per Grundgesetzänderung »ausbremsen« zu können. Mit Widerstand beim Koalitionspartner SPD rechnet Schäuble offenbar nicht. Zwar hatte Vize-Fraktionschef Fritz Rudolf Körper Anfang Februar erklärt, solche Maßnahmen müssten »an hohe rechtsstaatliche Hürden gebunden werden«. Und Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz beteuerte Anfang Mai in der »Zeit«, man werde »nicht die Online-Durchsuchung in der geplanten Intensität beschließen«. Doch Schäuble gab sich jetzt siegesgewiss: »Wir werden uns mit Sicherheit einigen.«

Wie Ende Mai bei der Verabschiedung des »Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung Computerkriminalität«. Da stimmte außer dem SPD-Abgeordneten Jörg Taus und der Linksfraktion das ganze Parlament auch einem neuen § 200c zu, der millionenfach verwendete Programme, die auch für das Entdecken von Sicherheitslücken in IT-Systemen notwendig sind, kriminalisiert, deren Herstellung, Programmierung, Überlassung, Verbreitung und Beschaffung unter Strafe stellt.
Im Kontext von Schäubles Drängen auf Online-Durchsuchungen kommentierte das Linksfraktions-Vize Petra Pau mit den Worten: »Die staatlichen Einbrecher stehen vor der Tür und stellen zugleich Schloss und Riegel unter Strafe.«

Darüber, dass es hier nicht um simplen Einbruch handelt, ist man sich auch in den anderen Oppositionsfraktionen im Klaren. »Eine heimliche Schnüffelei des Staates auf den Festplatten der Bürgerinnen und Bürger ist kein Mittel des Rechtsstaats«, betonte gestern Gisela Piltz, innenpolitische Sprecherin der FDP. »Durchsuchungen müssen in einem Rechtsstaat offen erfolgen. Das heimliche Einbrechen in die Computer stellt daher grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats auf den Kopf.« Und der grüne Jurist Wieland wertete den Zugriff auf heimische PCs als »Eindringen in die durch Artikel 13 Grundgesetz geschützte Wohnung«. Da dies nicht gerechtfertigt werden könne, seien derartige Eingriffe verfassungswidrig.

So werde »Persönlichkeit und Intimität der Bürgerinnen und Bürger zur Disposition gestellt«, konstatierte der Deutsche Anwaltverein. »Es muss einen Kernbereich privater Lebensgestaltung geben«, betonte Präsident Hartmut Kilger.

Von Claus Dümde

Neues Deutschland, 5. Juni 2007