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Bundeswehreinsätze im Inland sind eine Gefahr für unsere Sicherheit

Kolumne von Ulla Jelpke,

 

Von Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Was ein Bundeswehreinsatz im Inland bedeutet, ließ sich beim G7-Gipfel 2007 in Heiligendamm beobachten: Kampfflugzeuge donnerten über die Camps von Gipfelgegnern und schossen Fotos, Spähpanzer überwachten die Anfahrtswege potentieller Demonstranten, Feldjäger streiften mit Maschinenpistolen durch die Gegend. Es war ein Versuchsballon, der zum Glück lauten Protest auslöste und so nicht mehr wiederholt wurde.

Stattdessen – und viel unauffälliger – wurden seit 2007 Strukturen für den Inlandseinsatz aufgebaut, zum Beispiel unter dem Label "Zivil-Militärische Zusammenarbeit" (ZMZ): Seither stehen in allen Ländern, Landkreisen und kreisfreien Städten Kommandos aus Reservisten bereit, die bei Bedarf aktiviert werden sollen, um bei Katastrophen zu helfen.

2013 wurden außerdem die sogenannte Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte, ebenfalls aus Reservisten bestehend, aufgestellt. Geübt wird für jede denkbare Art des Inlandseinsatzes – von scheinbar harmlosen Hilfseinsätzen bis hin zur Niederschlagung innerer Unruhen.

Der Bundeswehr, die im Inneren eigentlich nur in absoluten Ausnahmesituationen eingesetzt werden sollte, wird somit systematisch eine tragende Rolle bei der Inneren Sicherheit verschafft.

Bundeswehr ist zum Kriegführen ausgebildet – nicht für Polizeiaufgaben

Preisfrage: Was ist eine Katastrophe, und wer definiert das? Die Bundesregierung hat auf entsprechende Anfragen der LINKEN schon vor Jahren eingeräumt, die Entscheidung, ob die Bundeswehr zum Beispiel anlässlich von Streiks im Transport-, Energie- oder Gesundheitswesen sowie bei der Müllabfuhr eingesetzt werden könnte, sei "dem jeweiligen Einzelfall vorbehalten".
Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 entschieden, die Bundeswehr dürfe bei Terroranschlägen mit "katastrophischen" Dimensionen auch mit scharfen Waffen zum Einsatz kommen. Damit hat es eine Tür geöffnet, durch die nun die Union am liebsten mit dem Panzerwagen durchfahren möchte.

So blutig und abscheulich der Münchner Amoklauf war – eine unübersehbar große Katastrophe im Sinne der Verfassungsgerichtsentscheidung war er nicht. Dennoch hat die Verteidigungsministerin die Feldjäger in Bereitschaft gesetzt, wie sie auch seit Wochen gemeinsame Übungen von Bundeswehr und Polizei einfordert. Der Hinweis, dass Feldjäger in ihren Auslandseinsätzen ja schon Erfahrungen mit dem Absperren von Straßen gesammelt hätten, ist absurd – oder will jemand wirklich in deutschen Innenstädten Zustände wie an einem Checkpoint in Afghanistan haben?

Die Bundeswehr ist zum Kriegführen ausgebildet, und nicht für Polizeiaufgaben. Wer anderes suggeriert, beleidigt nicht zuletzt Polizisten, die eine mehrjährige Ausbildung durchlaufen haben.

Schluss mit dem Ausbluten im öffentlichen Dienst

Die zunehmende Präsenz von Soldaten als "Helfer“ aller Art deutet allerdings auf gravierende Defizite bei den eigentlich zuständigen zivilen Behörden hin. Das Technische Hilfswerk, die Rettungsorganisationen, die Kommunen, auch die Polizei – alle sind sie unterfinanziert, zu schlecht ausgestattet, von Kürzungen und Stellenabbau betroffen. Um mit ihren knappen Ressourcen zurechtzukommen, greifen sie immer häufiger auf die Bundeswehr zurück. Das ist zwar ein nachvollziehbares haushalterisches Kalkül, kann aber im Ernstfall gewaltig nach hinten losgehen: Denn oberste Priorität für die Bundeswehr haben die Auslandseinsätze, weswegen kein Verlass darauf ist, dass sie bei einer Katastrophe im Inland tatsächlich die gerade benötigten Hilfsmittel stellen kann. Aufs Militär als Hilfspolizei, Hilfsretter, Hilfssandsackschlepper darf man deswegen nicht setzen. Die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch auf Sicherheit – und zwar durch kompetente, gut ausgebildete und gut finanzierte zivile Behörden. Deswegen muss mit dem Ausbluten im öffentlichen Dienst endlich Schluss sein!


linksfraktion.de, 8. Augsut 2016